Zum 100. Todestag von Peter Kropotkin – Grundgedanken des kommunistischen Anarchismus IV – Die Herdsklaverei beenden

Wir können Texte von vor 100 Jahren nicht am Stand der Diskussion von heute be- und verurteilen. Vieles, wie die binäre Konstruktion der Geschlechter, wurde damals noch nicht problematisiert.

Kropotkins Theorie beinhaltet die Befreiung der Frauen. Er kritisierte die Rolle ‚der Frau‘ als „das heimische Arbeitstier“.1 „Seien wir uns darüber im Klaren: eine Revolution, die sich an den schönen Worten Freiheit, Gleichheit und Solidarität berauschte und gleichzeitig die Herdsklaverei aufrechterhielte, wäre keine Revolution. Dann hätte immer noch die eine Hälfte der Menschheit, die der Sklaverei des Küchenherds unterworfene Hälfte, gegen die andere Hälfte zu rebellieren.“2 Er erkannte auch die Bedeutung der Care-Tätigkeiten für die Gesellschaft. „»Die Leistungen jedes Einzelnen!« Aber die menschliche Gesellschaft überlebte keine zwei Generationen, sie ginge binnen 50 Jahren unter, gäbe nicht ein jeder unendlich viel mehr, als er in Geld, in »Gutscheinen« oder in Form von bürgerlicher Anerkennung zum Lohn erhält. Das Menschengeschlecht wäre bald ausgelöscht, setzte eine Mutter nicht ihr Leben ein, um das ihrer Kinder zu retten, gäbe nicht jeder Mensch etwas, ohne mit einem Lohn zu rechnen, gäbe er nicht gerade dort etwas, wo er keine Entschädigung erwartet.“3

Bei der Berechnung der gesellschaftlich notwendigen Arbeit thematisierte er die Abspaltung aber nicht mehr und die Reproduktionstätigkeiten kommen nicht mehr vor. Eigentlich aber ist Kropotkin mit dem Prinzip der Gegenseitigen Hilfe, das Arbeit und Ökonomie überwindet und das Tätigsein in den Mittelpunkt stellt, weiter. Er bräuchte Arbeit nicht mehr berechnen. Aber die reproduktiven Tätigkeiten bleiben für ihn, darüber geriet er mit Emma Goldman in Streit, bei kollektiver Organisierung und geistiger Emanzipation der Frauen, natürliche Aufgabenfelder der Frauen.4

Im Anarcho-Kommunismus gibt es häufiger Autor*innen, die sich positiv auf die Befreiung der Frauen bezogen. Pierre Ramus etwa ergänzte, dass Frauen das alleinige Recht haben über Fortpflanzungsfragen zu entscheiden.5 Louise Michel kritisierte bereits in den 1880er Jahren die Perspektive der Integration in die herrschende kapitalistische Ordnung und lehnte die möglichen Privilegien klar zugunsten einer anarcha-kommunistischen Perspektive ab.6 „Wir sind nicht wenige aufsässige Frauen, die ganz einfach ihren Platz im Kampf einnehmen, ohne erst danach zu fragen. Wir würden sonst bis zum Ende der Weltgeschichte verhandeln.“7

Deshalb wurde der Anarcho-Kommunismus für Anarcha-Feminist*innen wie Peggy Kornegger8 ein wichtiger Bezugspunkt. Kropotkins Ehe- und Privatleben weist dagegen eher traditionell-patriarchale Vorstellungen.9

1 S. 141 in: Peter KROPOTKIN: Die Eroberung des Brotes (Orig. 1892; o.J.)

2 S. 141 in ebenda

3 S. 195 in ebenda

4 vergl. S. 26 in: EDITION ANARCHIA / FAU ÖSTERREICH: Was ist eigentlich AnarchaFeminismus? (2003)

5 vergl. S. 183 in: Pierre RAMUS: Der kommunistische Anarchismus als Gegenwartsziel der sozialen Befreiung (Orig. 1929; 2001)

6 vergl. Antje SCHRUPP: Feministischer Sozialismus (Orig. 1999; o.J.)

7 S. 78 in: Louise MICHEL: Memoiren (Orig. 1886; 1979)

8 vergl. S. 27 – 30 in: Peggy KORNEGGER: Der Anarchismus und seine Verbindung zum Fe…(Orig. 1975; 1979)

9 vergl. S. 23 in: Frederick FUSS: Antifeminismus im historischen Anarchismus (2020)