Buch von Friederike Habermann: Ausgetauscht! Warum gutes Leben für alle tauschlogikfrei sein muss

„Ausgetauscht? Tauschlogikfrei?
Was spricht gegen gerechten Tausch?
Nichts – solange alle Beteiligten ihrem Bedürfnis entsprechend handeln.
Dafür aber müssen alle Beteiligten frei entscheiden können. Dies ist der Aspekt, den die Wirtschaftswissenschaften vernachlässigen: Frei sind wir nur in einer Gesellschaft, die Menschen nicht ökonomisch zwingt, etwas gegen ihr Bedürfnis zu tun. Genau darauf aber beruht eine Tausch- bzw. Marktgesellschaft. Tausch bzw. Geld legitimiert scheinbar, dass Menschen in die Situation kommen, bei etwas zustimmen zu müssen, das sie nicht gerne tun. Sozusagen Erpressung light: Sie werden ökonomisch gezwungen.
Tauschlogik ist Tausch, der auf einem Tauschwert beruht: Tausch mit Äquivalenzlogik. Meistens in der Form von Geld. Während Geben und Nehmen überhistorische Konstanten sind, ist Tausch eine Transaktion, bei der offiziell gleiche Werte ausgetauscht werden. Dieser Unterschied ist gravierend.
»Wenn einer unserer Vorfahren einem anderen eine Banane anbot und dafür einen Apfel wollte«, erklärt Yanis Varoufakis seiner Tochter, »war das eine Form des Austauschs«. Soweit richtig. Beide hatten dabei die Fähigkeit, ein Stück Obst zu geben, und zumindest einer das Bedürfnis zu tauschen und der andere zumindest nichts dagegen. Das ist nicht die hier kritisierte Tauschlogik. Dann aber bedient Varoufakis den seit anderthalb Jahrhunderten aus anthropologischer Perspektive als falsch belegten Mythos, dies sei ein Tausch gewesen, »bei dem eine Banane den Preis für einen Apfel darstellte und umgekehrt«. Denn dann würden die beiden nur in dem unwahrscheinlichen Fall tauschen, dass sowohl Apfel als auch Banane denselben Tauschwert innehaben. Ansonsten bisse einer von beiden von seiner Frucht erst ein Stück ab – lieber sich den Magen verrenken, als dem Käufer was schenken. Und selbst wenn der mit der Banane so viele davon hätte, dass diese ihm bereits wegfaulen, würde er keine davon abgeben, wenn der andere keinen Apfel bzw. kein Geld zu bieten hat.
Tauschlogik erzeugt also künstlich Knappheit.
Und gibt die Person die Banane trotzdem her, um das Bedürfnis der anderen zu stillen, verlässt sie damit den wirtschaftlichen Sektor, die ökonomische Rationalität. Dass das gesamtgesellschaftlich nicht passiert (und innerhalb der Markt- bzw. Tauschlogik nicht passieren kann) zeigt die Tatsache, dass knapp eine Milliarde Menschen hungert und eine weitere Milliarde unterernährt ist, während auf der anderen Seite so viele Lebensmittel entsorgt werden, dass für ihren Anbau eine Fläche in der anderthalbfachen Größe wie Europa notwendig ist.
Auch andere Produkte sind betroffen. So verbrannte beispielsweise das britische Textil-Label Blurberry 2017 unverkaufte Designermode im (ursprünglich angepeilten) Wert von über 30 Millionen Euro. Und Amazon zerstört beständig Waren aller Art: nagelneue und funktionstüchtige Staubsauger, Wasserkocher, Toaster, Computer, Sodastreamer, Parfüm oder Waschmittel kommen auf einen großen Haufen, dann steckt ein Bagger alle zusammen in eine Presse, wo sie als Müllklumpen wieder herauskommen. Eine Amazon-Mitarbeiterin wird im Magazin Wirtschaftswoche zitiert, sie allein habe täglich Werte von 23.000 Euro vernichtet.
Obwohl also viele Lebensmittel und viel materieller Reichtum existieren, werden diese durch die Tauschlogik künstlich knapp.
Da unsere Vorfahren so doof nicht waren, gilt als anthropologisch gesicherte Tatsache, dass es nie eine Gesellschaft gegeben hat, in der Individuen miteinander nach Tauschlogik getauscht haben, bevor es Geld gab. Sondern wenn es gut lief, nach Bedürfnissen; wenn es schlecht lief, nach Hierarchien – Tauschlogikfreiheit ist keine hinreichende Bedingung für ein gutes Leben. Aber es ist eine notwendige.“

aus: https://move-utopia.de/de/infos/tauschlogikwas

kostenloser Download: https://cloud.livingutopia.org/s/mBfDs2nZtR5jRbF#pdfviewer

weiteres Buch von Friederike Habermann ECOMMONY: https://keimform.de/wp-content/uploads/2016/06/Habermann_Ecommony.pdf