Deutsche Soldaten gen Osten: Feindbild Russland, früher (II WK, 26 Mio. Tote der Sowjetunion) und auch heute

Das furchtbare Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen

Von der Wehrmacht ermordet, von Stalin verfolgt, von der Bundesrepublik ignoriert: Das Elend der sowjetischen Kriegsgefangenen ist beispiellos.

Die deutschen Armeen rückten auf Moskau vor, ihre Generäle glaubten noch, der Sieg über die Rote Armee stehe unmittelbar bevor. Der Wehrmacht fielen, vor allem bei den großen Kesselschlachten, Millionen Rotarmisten in die Hände.

Im Oktober 1941 nahm sie bei Wjasma und Brjansk 663 000 sowjetische Soldaten gefangen. Vom Tag des Überfalls, dem 22. Juni 1941, bis Ende 1942, zur Zeit der Kriegswende in Stalingrad, waren es 5,7 Millionen, eine unfassbare Zahl, die mit zu dem folgenschweren Irrtum beitrug, die Sowjetunion stehe unmittelbar vor dem Kollaps.

Von diesen Menschen starben bis Kriegsende 3,3 Millionen. Mehr als jeder zweite.

In diesem Sommer 1941 gaben sich Hitler, sein Regime und die meisten Generäle der Illusion hin, nur wenige Monate noch, dann werde Moskau fallen und der Krieg gewonnen sein. Trotz der Siegesstimmung gab es keinerlei Planungen, was denn mit den besiegten Soldaten des Feindes geschehen solle – außer sie sterben zu lassen.

Es gab, anders als im Ersten Weltkrieg oder im Zweiten an der Westfront, kaum Ansätze einer Infrastruktur zur Unterbringung von Kriegsgefangenen, nur selten Hütten, die nötigste medizinische Versorgung, ausreichend Nahrung. Es sollte all das nicht geben.

Die mörderische Behandlung der Gefangenen war Teil des Vernichtungskrieges, auch wenn es in der Bundesrepublik Jahrzehnte dauern sollte, bis diese Erkenntnis nicht mehr zu leugnen war. Hitler hatte seine Generäle, etwa 250 Kommandeure, schon im März 1941 in der Berliner Reichskanzlei versammelt und auf einen „Vernichtungskampf“ vorbereitet: „Wir müssen vom Standpunkt des Kameradentums abrücken. Im Osten ist Härte mild für die Zukunft. Die Führer müssen von sich das Opfer verlangen, ihre Bedenken zu überwinden.“

Und die allermeisten taten es, trotz einiger Protestnoten gegen den „Kommissarbefehl“ vom 6. Juni 1941, demzufolge gefangene politische Kommissare der Roten Armee sofort zu erschießen seien.

Hitlers Mordexperten wollten Millionen töten durch „Aushungern“

Die Männer, die so viel auf ihre soldatische Ehre gaben, wurden nun zu überwiegend willigen Handlangern der Naziideologie, der viele von ihnen ohnehin anhingen.

Der Mord an den Juden wurde 1941 zum schlimmsten Verbrechen dieser Ideologie, der Antisemitismus war ihr Herzstück und ihr Mittelpunkt: Die Juden seien Träger des bolschewistischen Regimes in Moskau. Sechs Millionen Juden starben durch den Holocaust.

Es war der einzigartige Versuch – wie es der Historiker Eberhard Jäckel während des „Historikerstreits“ der späten Achtzigerjahre jenen Konservativen entgegenhielt, die den Genozid und die deutsche Schuld relativieren wollten -, eine bestimmte Gruppe von Menschen bis zum letzten Kleinkind auszulöschen.

Doch jenseits dieses Horrors hatte das Regime weitere Mordpläne. Sie galten der slawischen Bevölkerung der Sowjetunion, die deutschen Siedlern und deutschem „Lebensraum“ weichen sollte.

„Die Kriegsgefangenen ähneln lebenden Skeletten“

Die Blaupause dafür war der „Generalplan Ost“; es war die Absicht von Hitlers Mordexperten, den „Vordenkern der Vernichtung“, wie sie der Berliner Historiker Götz Aly nannte, vor allem durch „Umsiedlung“ und Aushungern Millionen weitere Menschen zu töten.

Der Generalplan ist nie so systematisch realisiert worden wie der Mord an den Juden, aber wahrscheinlich nur, weil 1942/43 die deutschen Truppen auf dem Rückzug waren und es keine Gelegenheit mehr dazu gab. Die ersten, die durch den Hunger starben, waren die Kriegsgefangenen.

aus: https://www.sueddeutsche.de/politik/zweiter-weltkrieg-das-furchtbare-schicksal-der-sowjetischen-kriegsgefangenen-1.3676844-0#seite-2