Solidarität statt Öko-Lifestyle
Das ist Alltag in den Ländern des Südens. Nirgendwo sieht man deutlicher, dass Gewalt gegen die Natur immer auch Gewalt gegen Menschen ist. 2018 wurden laut der NGO Global Witness jede Woche drei Menschen wegen ihres Kampfes für Umwelt und Menschenrechte getötet.
Wenn ich allerdings bei meinen Vorträgen und Lesungen in Deutschland von den Menschen in den Ländern des Südens erzähle, werde ich neuerdings fast jedes Mal als Erstes gefragt: „Wie vereinbaren Sie das eigentlich mit ihrem Gewissen, dass Sie dorthin mit dem Flugzeug geflogen sind?“
Ich finde diesen Vorwurf bizarr. Schließlich fliege ich ja nicht zum Yoga-Retreat oder Kite-Surfen, sondern auf die Rückseite der Welt. Dorthin, wo sich kein Tourist je hinverirrt. Dort, woher die Rohstoffe für unsere Produkte stammen, wo das Leid der Menschen für uns im globalen Norden unsichtbar ist. Die Frage ist deswegen umso befremdlicher, weil sie zeigt, wie sehr sich die Vorstellung durchgesetzt hat, dass die Welt vor allem von individuellen Konsumentscheidungen gerettet werden könnte. Als seien diese den Kämpfen im Süden ebenbürtig oder vielleicht sogar noch wichtiger. Aber das ist keine politische Strategie, es blendet Macht- und Verteilungsfragen aus. Die Aufforderung, sich einen persönlichen Öko-Lifestyle zuzulegen, zerstört dann, wenn der „gute“ Konsument nur mit dem Finger auf den „bösen“ zeigt, genau jene Solidarität und die Bereitschaft zum Engagement, die wir brauchen, um strukturell und global etwas zu verändern.
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So viel Entsetzliches ich in den Ländern des Südens gesehen habe, so ermutigend und überwältigend ist es, mit wie viel Mut und Solidarität die Menschen dort – für uns alle – kämpfen. Welche Vorstellungen einer gerechten Welt sie haben. Selbstverständlich sind wir in den reichen Ländern des Nordens, ob wir wollen oder nicht, mit unserer imperialen Lebensweise Teil der globalen Zerstörung. Aber anstatt zu versuchen, das nur individuell zu korrigieren, brauchen die Länder des Südens dringend unsere Solidarität, indem wir unseren mit ihrem Kampf verbinden. Gegen Freihandelsverträge wie Mercosur, für eine global gerechte Landwirtschafts- und Energiewende, für die Durchsetzung von Menschenrechten in den Lieferketten. Dieser Kampf, und das ist erfreulich, hat auch in Deutschland schon begonnen. Auf der Straße, gemeinsam.
Kathrin Hartmann
aus: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/solidaritaet-statt-oeko-lifestyle