Demokratie: Gewaltapparat Polizei dient immer den Interessen der Mächtigen

Proteste in Frankreich: “Die Polizei verbreitet Chaos und Angst”

Martin Barzilai arbeitet als Lehrer und aktivistischer Fotograf in Paris. Mosaik-Redakteur*innen Klaudia Wieser und Martin Konecny sprachen mit ihm über Frankreich im Ausnahmezustand, ängstliche MachthaberInnen und eine neue Dimension der Polizeigewalt.

Vor einigen Tagen konnte ich die Polizei dabei fotografieren, wie sie einen Demonstranten brutal verprügelte. Es war überall Blut und die am Boden liegende Person wurde schwer verletzt. Ich habe lange darüber nachgedacht, wie und welches Foto ich davon veröffentliche. Am Ende habe ich es an eine große Zeitung gespielt. Ich hatte Glück und auch die gewissen Beziehungen, um es an die Öffentlichkeit zu bringen. In den meisten Fällen berichten die Massenmedien nicht über solche Fälle. Der Demonstrant wurde mehr als 24 Stunden von der Polizei festgehalten und muss jetzt vor Gericht. Die Polizei beschuldigt ihn, dass er sie attackiert hätte. Nachdem ich das Foto veröffentlicht habe, baten mich seine Anwälte, als Zeuge aufzutreten. Sie verwenden meine Fotos als Beweismittel.

18. Jänner 2020, Demonstration in Paris, FOTO: Martin Barzilai

Was kann man dieser Polizeigewalt entgegensetzen?

Es gibt leider wenig Möglichkeiten, etwas dagegen zu tun. Die Institution Polizei an sich ist in Frankreich sehr stark im Staatsapparat verankert. Es gibt linke Anwält*innen, die sich in Kollektiven zusammenschließen und Verteidigungen für Demonstrant*innen leisten. Seit Jahren haben wir aber kaum Fälle gesehen, wo sie vor Gericht Siege erzielten.

Die Polizei hält sich an keine Regeln. Seit 2014 sollten eigentlich alle Polizisten ihre Dienstnummern sichtbar tragen. Aber nur vielleicht ein Fünftel macht das auch. Ihre Strategie ist die Verbreitung von Chaos und Angst. Ich würde sagen, dass du bei einer Demonstration in Frankreich vielleicht nicht getötet werden kannst, aber du kannst ein Auge oder einen Arm verlieren und andere schwerwiegende Verletzungen davon tragen.

Bei Demonstrationen verwenden sie zwei Arten von Waffen, die in den meisten europäischen Ländern verboten sind. Zum einen sind das sogenannte Flashballs, die aussehen wie große Gummigeschoße.  Zum anderen schießen sie mit einer Art Schockgranaten. Sie erzeugen großen Lärm, sind aber zusätzlich mit einer kleinen Menge Sprengstoff gefüllt. Demonstrant*innen können bei den Explosionen schwer verletzt werden.

Wir müssen uns daran erinnern, dass diese brutale Art von „Aufstandsbekämpfung“ in den migrantischen Vorstädten und Arbeiter*innenbezirken am Rande von Paris getestet und präzisiert wurde, bevor sie heute an weißen Demonstrant*innen angewandt wird.

Wie geht es jetzt weiter?

Die Machthaber*innen haben Angst. Der massive Anstieg an Polizeigewalt ist die Folge davon. Das ist nicht nur in Frankreich der Fall. Ich denke es ist wichtig, global zu denken und lokal zu handeln. Diese Gewalt ist eine direkte Auswirkung des Kapitalismus und des Rassismus und dagegen müssen wir alle gemeinsam eintreten. Es ist wichtig, verschiedene gesellschaftliche Gruppen zu vernetzen, die wütend, allein und in ihrer Existenz bedroht sind. Das ist eine komplex Herausforderung, bleibt aber die einzige Chance, weitere Erfolge zu erzielen.

aus: https://mosaik-blog.at/proteste-frankreich-polizei/