«Vor unseren Augen kreiert sich ein mörderisches System»
Eine konstruierte Vergewaltigung und manipulierte Beweise in Schweden, Druck von Grossbritannien, das Verfahren nicht einzustellen, befangene Richter, Inhaftierung, psychologische Folter – und bald die Auslieferung an die USA mit Aussicht auf 175 Jahre Haft, weil er Kriegsverbrechen aufdeckte: Erstmals spricht der Uno-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, über die brisanten Erkenntnisse seiner Untersuchung im Fall von Wikileaks-Gründer Julian Assange.
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Sie sagen: Die schwedischen Behörden waren an der Aussage von Assange nicht interessiert. Medien und Behörden zeichneten in den vergangenen Jahren ein gegenteiliges Bild: Julian Assange sei vor der schwedischen Justiz geflüchtet, um sich der Verantwortung zu entziehen.
Das dachte ich auch immer, bis ich zu recherchieren begann. Das Gegenteil ist der Fall. Assange hat sich mehrfach bei den schwedischen Behörden gemeldet, weil er zu den Vorwürfen Stellung nehmen wollte. Die Behörden wiegelten ab.
Was heisst das: Die Behörden wiegelten ab?
Darf ich von vorn beginnen? Ich spreche fliessend Schwedisch und konnte deshalb alle Originaldokumente lesen. Ich traute meinen Augen nicht: Nach Aussagen der betroffenen Frau selber hat es nie eine Vergewaltigung gegeben. Und nicht nur das: Die Aussage dieser Frau wurde im Nachhinein ohne ihre Mitwirkung von der Stockholmer Polizei umgeschrieben, um irgendwie einen Vergewaltigungsverdacht herbeibiegen zu können. Mir liegen die Dokumente alle vor, die Mails, die SMS.
«Die Aussage der Frau wurde von der Polizei umgeschrieben» – wovon reden Sie?
Am 20. August 2010 betritt eine Frau namens S. W. in Begleitung einer zweiten Frau namens A. A. einen Polizeiposten in Stockholm. S. W. sagt, sie habe mit Julian Assange einvernehmlichen Geschlechtsverkehr gehabt. Allerdings ohne Kondom. Jetzt habe sie Angst, dass sie sich mit HIV infiziert haben könnte, und wolle wissen, ob sie Assange dazu verpflichten könne, einen HIV-Test zu machen. Sie sei in grosser Sorge. Die Polizei schreibt ihre Aussage auf und informiert sofort die Staatsanwaltschaft. Noch bevor die Einvernahme überhaupt abgeschlossen werden kann, informiert man S. W. darüber, dass man Assange festnehmen werde wegen Verdachts auf Vergewaltigung. S. W. ist schockiert und weigert sich, die Befragung weiterzuführen. Noch aus der Polizeistation schreibt sie einer Freundin eine SMS und sagt, sie wolle Assange gar nicht beschuldigen, sondern wolle nur, dass er einen HIV-Test mache, aber die Polizei wolle ihn ganz offensichtlich «in die Finger kriegen».
Was bedeutet das?
S. W. hat Julian Assange gar nicht der Vergewaltigung bezichtigt. Sie weigert sich, die Einvernahme weiterzuführen, und fährt nach Hause. Trotzdem erscheint zwei Stunden später im «Expressen», einer schwedischen Boulevardzeitung, die Titel-Schlagzeile: Julian Assange werde der doppelten Vergewaltigung verdächtigt.
Der doppelten Vergewaltigung?
Ja, denn es gibt ja noch eine zweite Frau, A. A. Auch sie wollte keine Anzeige erstatten, sondern hat lediglich S. W. auf den Polizeiposten begleitet. Sie wurde an dem Tag noch gar nicht einvernommen. Später sagte sie dann aber, Assange habe sie sexuell belästigt. Ich kann natürlich nicht sagen, ob das wahr ist oder nicht. Ich beobachte einfach den Ablauf: Eine Frau betritt einen Polizeiposten. Sie will keine Anzeige machen, aber einen HIV-Test einfordern. Die Polizei kommt auf die Idee, dass dies eine Vergewaltigung sein könnte, und erklärt die Sache zum Offizialdelikt. Die Frau weigert sich, das zu unterschreiben, geht nach Hause, schreibt einer Freundin, sie wolle das nicht, aber die Polizei wolle Assange «in die Finger kriegen». Zwei Stunden später steht es in der Zeitung. Wie wir heute wissen, hat die Staatsanwaltschaft es der Presse gesteckt. Und zwar ohne Assange überhaupt zu einer Stellungnahme einzuladen. Und die zweite Frau, die laut Schlagzeile vom 20. August ebenfalls vergewaltigt worden sein soll, wurde erst am 21. August überhaupt einvernommen.
Was hat die zweite Frau später ausgesagt?
Sie sagte aus, sie habe Assange, der für eine Konferenz nach Schweden gekommen war, ihre Wohnung zur Verfügung gestellt. Eine kleine Einzimmerwohnung. Als Assange in der Wohnung ist, kommt sie früher als geplant nach Hause. Sie sagt, das sei kein Problem. Er könne mit ihr in ihrem Bett schlafen. In jener Nacht sei es zum einvernehmlichen Sex gekommen. Mit Kondom. Sie sagt aber, Assange habe während des Geschlechtsverkehrs das Kondom absichtlich kaputtgemacht. Wenn dem so ist, ist das natürlich ein Sexualdelikt, sogenanntes stealthing. Die Frau sagt aber auch: Sie habe erst im Nachhinein gemerkt, dass das Kondom kaputt ist. Das ist ein Widerspruch, der unbedingt hätte geklärt werden müssen: Wenn ich es nicht merke, kann ich nicht wissen, ob der andere es absichtlich getan hat. Auf dem als Beweismittel eingereichten Kondom konnte keine DNA von Assange oder A. A. nachgewiesen werden.
Woher kannten sich die beiden Frauen?
Sie kannten sich nicht wirklich. A. A., die Assange beherbergte und als seine Pressesekretärin fungierte, hatte S. W. an einem Anlass kennengelernt, an dem sie einen rosa Kaschmirpullover getragen hatte. Sie wusste offenbar von Assange, dass er auch mit S. W. ein sexuelles Abenteuer anstrebte. Denn eines Abends erhielt sie von einem Bekannten eine SMS: Assange wohne doch bei ihr, er möchte ihn gerne kontaktieren. A. A. antwortet ihm: Assange schlafe im Moment wohl gerade mit dem «Kashmir-Girl». Am nächsten Morgen telefoniert S. W. mit A. A. und sagt, sie habe tatsächlich ebenfalls mit Assange geschlafen und habe nun Angst, sich mit HIV infiziert zu haben. Diese Angst ist offenbar echt, denn S. W. hat sogar eine Klinik aufgesucht, um sich beraten zu lassen. Darauf schlägt ihr A. A. vor: Lass uns zur Polizei gehen, die können Assange zwingen, einen HIV-Test zu machen. Die beiden Frauen gehen allerdings nicht zur nächstgelegenen Polizeistation, sondern zu einer weit entfernten, wo eine Freundin von A. A. als Polizistin arbeitet, die dann auch noch gerade die Einvernahme macht; und zwar anfänglich in Anwesenheit ihrer Freundin A. A., was alles nicht korrekt ist. Bis hierhin könnte man allenfalls noch von mangelnder Professionalität sprechen. Die bewusste Böswilligkeit der Behörden wurde aber spätestens dann offensichtlich, als sie die sofortige Verbreitung des Vergewaltigungsverdachts über die Tabloidpresse forcierten, und zwar ohne Befragung von A. A. und im Widerspruch zu den Aussagen von S. W.; und auch im Widerspruch zum klaren Verbot im schwedischen Gesetz, die Namen von mutmasslichen Opfern oder Verdächtigen in einem Sexualstrafverfahren zu veröffentlichen. Jetzt wird die vorgesetzte Hauptstaatsanwältin auf den Fall aufmerksam und schliesst die Vergewaltigungsuntersuchung einige Tage später mit der Feststellung, die Aussagen von S. W. seien zwar glaubwürdig, doch gäben sie keinerlei Hinweise auf ein Delikt.
Aber dann ging die Sache erst richtig los. Warum?
Nun schreibt der Vorgesetzte der einvernehmenden Polizistin eine Mail: Sie solle die Aussage von S. W. umschreiben.
Was hat die Polizistin umgeschrieben?
Das weiss man nicht. Denn die erste Befragung wurde im Computerprogramm direkt überschrieben und existiert nicht mehr. Wir wissen nur, dass die ursprüngliche Aussage gemäss Hauptstaatsanwältin offenbar keinerlei Hinweise auf ein Delikt beinhaltete. In der revidierten Form steht, es sei zu mehrmaligem Geschlechtsverkehr gekommen. Einvernehmlich und mit Kondom. Aber am Morgen sei die Frau dann aufgewacht, weil er versucht habe, ohne Kondom in sie einzudringen. Sie fragt: «Trägst du ein Kondom?» Er sagt: «Nein.» Da sagt sie: «You better not have HIV», und lässt ihn weitermachen. Diese Aussage wurde ohne Mitwirkung der betroffenen Frau redigiert und auch nicht von ihr unterschrieben. Es ist ein manipuliertes Beweismittel, aus dem die schwedischen Behörden dann eine Vergewaltigung konstruiert haben.
Warum sollten die schwedischen Behörden das tun?
Der zeitliche Kontext ist entscheidend: Ende Juli veröffentlicht Wikileaks in Zusammenarbeit mit der «New York Times», dem «Guardian» und dem «Spiegel» das sogenannte «Afghan War Diary». Es ist eines der grössten Leaks in der Geschichte des US-Militärs. Die USA fordern ihre Alliierten umgehend dazu auf, Assange mit Strafverfahren zu überziehen. Wir kennen nicht die ganze Korrespondenz. Aber Stratfor, eine für die US-Regierung tätige Sicherheitsberatungsfirma, rät der amerikanischen Regierung offenbar, Assange die nächsten 25 Jahre mit allen möglichen Strafverfahren zu überziehen.
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Wie ist diese Geschichte denn überhaupt entstanden, dass sich Assange der schwedischen Justiz entzogen habe?
Diese Darstellung wurde konstruiert, entspricht aber nicht den Tatsachen. Hätte er sich entzogen, wäre er nicht freiwillig auf dem Posten erschienen. Auf der Grundlage der umgeschriebenen Aussage von S. W. wird gegen die Einstellungsverfügung der Staatsanwältin Berufung eingelegt und am 2. September 2010 das Vergewaltigungsverfahren wieder aufgenommen. Den beiden Frauen wird auf Staatskosten ein Rechtsvertreter ernannt namens Claes Borgström. Der Mann war Kanzleipartner des vorherigen Justizministers Thomas Bodström, unter dessen Ägide die schwedische Sicherheitspolizei von den USA verdächtigte Menschen mitten in Stockholm ohne jedes Verfahren verschleppt und an die CIA übergeben hatte, welche diese Menschen dann folterte. Damit werden die transatlantischen Hintergründe der Angelegenheit deutlicher. Nach Wiederaufnahme der Vergewaltigungsvorwürfe lässt Assange wiederholt durch seinen Anwalt ausrichten, dass er dazu Stellung nehmen will. Die zuständige Staatsanwältin wiegelt ab. Mal passt es der Staatsanwältin nicht, mal ist der zuständige Polizist krank. Bis sein Anwalt drei Wochen später schreibt: Assange müsse nun wirklich zu einer Konferenz nach Berlin. Ob er das Land verlassen dürfe? Die Staatsanwaltschaft willigt schriftlich ein. Er dürfe Schweden für kurzfristige Abwesenheiten verlassen.
Und dann?
Der Punkt ist: An dem Tag, an dem Julian Assange Schweden verlässt, wo noch gar nicht klar ist, ob er kurzfristig geht oder langfristig, wird gegen ihn ein Haftbefehl erlassen. Er fliegt mit Scandinavian Airlines von Stockholm nach Berlin. Dabei verschwinden seine Laptops aus seinem eingecheckten Gepäck. Als er in Berlin ankommt, bittet die Lufthansa um Nachforschungen bei der SAS. Diese verweigert aber offenbar jede Auskunft.
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Warum wollte Schweden diese Zusicherung nicht geben?
Man muss nur schauen, wie das Verfahren geführt wurde: Es ist Schweden nie um die Interessen der beiden Frauen gegangen. Assange wollte ja auch nach der Verweigerung einer sogenannten Nichtauslieferungszusicherung immer noch aussagen. Er sagte: Wenn ihr nicht garantieren könnt, dass ich nicht ausgeliefert werde, stehe ich euch in London oder über Videolink für Befragungen zur Verfügung.
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3. Als das höchste schwedische Gericht die Stockholmer Staatsanwaltschaft zwingt, endlich Anklage zu erheben oder das Verfahren einzustellen, fordern die britischen Behörden: «Kriegt jetzt bloss keine kalten Füsse!!»
Warum bestanden sie darauf?
Es gibt für all das, für das Verweigern einer diplomatischen Garantie, für die Weigerung, ihn in London einzuvernehmen, nur eine Erklärung: Man wollte ihn in die Finger kriegen, um ihn an die USA ausliefern zu können. Was sich in Schweden im Rahmen einer strafrechtlichen Voruntersuchung innert weniger Wochen an Rechtsbrüchen akkumuliert hat, ist absolut grotesk. Der Staat hat den beiden Frauen einen Rechtsvertreter bestellt, der ihnen erklärt hat, Vergewaltigung sei ein Offizialdelikt, sodass die strafrechtliche Interpretation ihrer Erfahrung Sache des Staates sei, nicht mehr ihre. Auf den Widerspruch zwischen den Aussagen der Frauen und der Version der Behörden angesprochen, sagt deren Rechtsvertreter, die Frauen «seien halt keine Juristinnen». Doch die Staatsanwaltschaft vermeidet es fünf Jahre lang, Assange zu der ihm vorgeworfenen Vergewaltigung auch nur zu vernehmen, bis seine Anwälte letztlich an das höchste schwedische Gericht gelangen, um zu erzwingen, dass die Staatsanwaltschaft entweder endlich Anklage erhebt oder das Verfahren einstellt. Als die Schweden den Engländern mitteilen, dass sie das Verfahren möglicherweise einstellen müssten, schrieben die Briten besorgt zurück: «Don’t you dare get cold feet!!» Kriegt jetzt bloss keine kalten Füsse.
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Warum sind die Engländer daran interessiert, dass die Schweden das Verfahren nicht einstellen?
Wir müssen aufhören zu glauben, dass es hier wirklich darum gegangen ist, eine Untersuchung wegen Sexualdelikten zu führen. Was Wikileaks getan hat, bedroht die politischen Eliten in den USA, England, Frankreich und Russland gleichermassen. Wikileaks veröffentlicht geheime staatliche Informationen – sie sind «Anti-Geheimhaltung». Und das wird in einer Welt, in der auch in sogenannt reifen Demokratien die Geheimhaltung überhandgenommen hat, als fundamentale Bedrohung wahrgenommen. Assange hat deutlich gemacht, dass es den Staaten heute nicht mehr um legitime Vertraulichkeit geht, sondern um die Unterdrückung wichtiger Informationen zu Korruption und Verbrechen. Nehmen wir den emblematischen Wikileaks-Fall aus den Leaks von Chelsea Manning: Das sogenannte «Collateral Murder»-Video. (Am 5. April 2010 veröffentlicht Wikileaks ein als geheim eingestuftes Video des US-Militärs, das zeigt, wie US-Soldaten in Bagdad mehrere Menschen ermorden, darunter zwei Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Reuters; Anmerkung der Redaktion.) Als langjähriger IKRK-Rechtsberater und Delegierter in Kriegsgebieten kann ich Ihnen sagen: Es handelt sich dabei zweifellos um ein Kriegsverbrechen. Eine Helikoptercrew mäht Menschen nieder. Es mag sogar sein, dass einer oder zwei von diesen Leuten eine Waffe dabeihatten. Aber es wird ganz gezielt auf Verletzte geschossen. Das ist ein Kriegsverbrechen. «He is wounded», hört man einen Amerikaner sagen. «I’m firing» Und dann wird gelacht. Dann kommt ein Minibus angefahren, der die Verwundeten retten will. Der Fahrer hat zwei Kinder mit dabei. Man hört die Soldaten sagen: Selber schuld, wenn er Kinder auf das Schlachtfeld bringt. Und dann wird gefeuert. Der Vater und die Verwundeten sind sofort tot, die Kinder überleben schwer verletzt. Durch die Publikation werden wir direkte Zeugen eines kriminellen, gewissenlosen Massakers.
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Was erwartet Assange, wenn er ausgeliefert wird?
Er wird kein rechtsstaatliches Verfahren bekommen. Auch deswegen darf er nicht ausgeliefert werden. Assange wird vor ein Geschworenengericht in Alexandria, Virginia, kommen. Vor den berüchtigten «Espionage Court», wo die USA alle National-Security-Fälle führt. Der Ort ist kein Zufall, denn die Geschworenen müssen jeweils proportional zur lokalen Bevölkerung ausgewählt werden, und in Alexandria arbeiten 85 Prozent der Einwohner bei der National-Security-Community, also bei der CIA, der NSA, dem Verteidigungsdepartement und dem Aussenministerium. Wenn Sie vor so einer Jury wegen Verletzung der nationalen Sicherheit angeklagt werden, dann ist das Urteil schon von Anfang an klar. Das Verfahren wird immer von derselben Einzelrichterin geführt, hinter geschlossenen Türen und aufgrund geheimer Beweismittel. Niemand wurde dort in einem solchen Fall jemals freigesprochen. Die meisten Angeklagten machen daher einen Deal, in dem sie sich zumindest teilweise schuldig bekennen und dafür eine mildere Strafe bekommen.
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Derartige Bedingungen für einen simplen Kautionsverstoss: Wann wird Haft zu Folter?
Julian Assange wurde von Schweden, England, Ecuador und den USA gezielt psychologisch gefoltert. Zuerst mit der Art von zutiefst willkürlicher Prozessführung. Die Verfahrensführung von Schweden, mit aktiver Beihilfe durch England, war darauf ausgerichtet, ihn unter Druck zu setzen und in der Botschaft festzusetzen. Es ging Schweden nie darum, die Wahrheit herauszufinden und diesen Frauen zu helfen, sondern darum, Assange in eine Ecke zu drängen. Es handelt sich um den Missbrauch von Justizverfahren, um einen Menschen in eine Position zu bringen, in der er sich nicht wehren kann. Dazu kamen die Überwachungsmassnahmen, die Beleidigungen, Erniedrigungen und Angriffe durch Politiker dieser Länder bis hin zu Todesdrohungen. Dieser konstante Missbrauch staatlicher Macht verursachte bei Assange enorme Stress- und Angstzustände und hat messbare kognitive und neurologische Schäden hinterlassen. Ich habe Assange im Mai 2019 in seiner Zelle in London besucht mit zwei erfahrenen, weltweit respektierten Ärzten, die auf die forensische und psychiatrische Untersuchung von Folteropfern spezialisiert sind. Die Diagnose der beiden Ärzte war eindeutig: Julian Assange zeigte die typischen Symptome psychologischer Folter. Wenn er nicht bald in Schutz genommen werde, sei mit einer rapiden Verschlechterung seines Gesundheitszustandes zu rechnen, bis hin zur Todesfolge.
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aus: https://www.republik.ch/2020/01/31/nils-melzer-spricht-ueber-wikileaks-gruender-julian-assange