Was killt uns wohl zuerst, Klimakrieg, militärischer Krieg, sozialer Krieg?

„Die vier Leuchttürme unter den Klima-Studien“

Die Wissenschaftler verstehen das Klima immer besser, während die vielen Studien und Berichte für Laien oft verwirrend sind. Es gibt allerdings vier „Leuchtturm“-Publikationen, die bei der Orientierung helfen. Noch hat die Menschheit die Wahl zwischen zwei Arten fundamentaler Veränderungen.

IPCC-Sonderbericht zum 1,5-Grad-Ziel

Der wichtigste ist der Sonderbericht des Weltklimarates IPCC zum 1,5-Grad-Ziel des Paris-Abkommens. …

Was das genau bedeutet, war aber unklar, weil sich die Klimaforscher bis dahin immer auf das Zwei-Grad-Ziel konzentriert hatten. Daher wurde der IPCC beauftragt, den Wissensstand zu diesem 0,5-Grad-Unterschied zusammenzutragen.

Die Ergebnisse waren bemerkenswert. Ein Beispiel: Bei 1,5 Grad Erwärmung gegenüber vorindustrieller Zeit verliert die Welt 70 Prozent aller Korallenriffe – die Kinderstube vieler Fischarten – und bei zwei Grad mehr als 99 Prozent.

Ob die Erwärmung auf 1,5 Grad begrenzt werden kann, entscheidet sich aber nicht im Jahr 2050, sondern im kommenden Jahrzehnt. Mittlerweile ist der IPCC-Sonderbericht jedoch schon wieder zu alt, um hier als Richtschnur zu dienen.

Emissions Gap Report 2019

Diese Lücke schließt der jährlich zur Klimakonferenz erscheinende Bericht des UN-Umweltprogramms Unep zur „Emissionslücke“ (englisch emissions gap) zwischen den tatsächlichen und den 1,5-Grad-kompatiblen Emissionen.

Der neue Bericht zeigt, dass die Emissionen immer noch steigen. Das gilt für alle Treibhausgase, also für CO2 ebenso wie für Methan, Lachgas und Fluorkohlenwasserstoffe. Damit steuert die Welt auf 3,2 Grad Erwärmung zu.

Noch ist das 1,5-Grad-Ziel erreichbar. Dazu müssen ab sofort die globalen Treibhausgasemissionen Jahr für Jahr um 7,6 Prozent sinken. Wenn das nicht geschieht, lässt sich die Erwärmung nicht mehr auf 1,5 Grad begrenzen.

Die aktuellen Klimapläne der Länder im Rahmen des Paris-Abkommens reichen aber bei Weitem nicht für eine derart dramatische Reduktion der Emissionen.

Der Unep-Bericht beruht auf der Methodologie des IPCC-Sonderberichts, wenn auch mit aktuelleren Daten. Damit teilt er auch dessen Schwäche: Der Weltklimarat lässt bei der Berechnung des verbleibenden CO2-Budgets der Menschheit eine „Klimahypothek“ von 100 Milliarden Tonnen CO2 außen vor.

Neuberechnung des CO2-Budgets

Diesen „Schönheitsfehler“ in der Berechnung des CO2-Budgets behebt eine Studie von Joeri Rogelj und anderen, die im Juli im Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlicht wurde.

Das Resultat: Die Menschheit muss ihre Emissionen nicht bis zum Jahr 2050, sondern schon bis Ende 2038 auf netto null senken, wenn sie die Klimaerwärmung mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent auf 1,5 Grad begrenzen will.

Und wenn dieses Ziel mit einer Zwei-Drittel-Wahrscheinlichkeit erreicht werden soll, dann muss die Weltwirtschaft sogar schon im Jahr 2031 klimaneutral sein.

Das mag illusorisch klingen, könnte aber entscheidend sein – für den Fortbestand der menschlichen Zivilisation.

Der IPCC lässt nämlich nicht nur die 100-Milliarden-Tonnen-Hypothek außen vor, sondern ignoriert auch weitgehend mögliche Kipppunkte im Klimasystem.

„Heißzeit-Studie“

Diese Lücke schließt die Studie „Pfade des Erdsystems im Anthropozän“ von Will Steffen, Johan Rockström, Hans Joachim Schellnhuber und anderen. Die Veröffentlichung vom August 2018 ist auch als „Heißzeit-Studie“ oder als „Hot House Earth Paper“ bekannt.

Die Autoren postulieren darin, dass selbstverstärkende Rückkopplungseffekte das Erdsystem an einen planetaren Kipppunkt bringen könnten. Wird dieser Punkt erreicht, erwärmt sich das Klima um fünf bis sechs Grad, ohne dass die Menschheit noch die Möglichkeit hätte, dies zu verhindern.

Der Schwellenwert markiert also den „Punkt ohne Rückkehr“. Wo der Wert liegt, sei unsicher, „aber er könnte nur Jahrzehnte in der Zukunft liegen bei einer Klimaerwärmung von rund zwei Grad“.

Auch gemäß der Heißzeit-Studie kann die Menschheit also noch das Schlimmste verhindern. Schrittweise Veränderungen des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Systems reichten dafür aber nicht aus.

aus: https://www.klimareporter.de/klimaforschung/die-vier-leuchttuerme-unter-den-klima-studien