Menscherei im Bundesrat: Beschluss vom 3.7. zum Kastenstand

Mehr Tierschutz in der Schweinehaltung

Die Haltungsbedingungen für Schweine werden neu geregelt – auf Betreiben des Bundesrates allerdings tierschutzfreundlicher als ursprünglich von der Bundesregierung geplant: Die Länder knüpften ihre Zustimmung zur neuen Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung am 3. Juli 2020 an zahlreiche Änderungen. Setzt die Bundesregierung diese um, kann sie die Verordnung im Bundesgesetzblatt verkünden und anschließend in Kraft treten lassen.

Aus für Kastenstand spätestens nach acht Jahren

Spätestens nach einer Übergangsfrist von 8 Jahren dürfen Sauen im Deckzentrum nicht mehr im so genannten Kastenstand gehalten werden, sondern nur noch in der Gruppe. Eine Fixierung ist dann lediglich kurzzeitig möglich – zum Beispiel für die künstliche Besamung oder ärztliche Untersuchungen.

Ungehindertes Ausstrecken in Seitenlage

Schon während der Übergangszeit müssen die Kastenstände so gestaltet sein, dass die Sauen in Seitenlage ihre Gliedmaßen ausstrecken können, ohne dabei an bauliche Hindernisse zu stoßen.

Ausreichend Platz und Rückzugsmöglichkeiten

Für die Zeit nach Absetzen der Ferkel bis zur nächsten Besamung muss in der Gruppenhaltung eine Bodenfläche von mindestens 5 Quadratmetern je Sau zur Verfügung stehen. Fress-Liegebuchten können weiterhin genutzt werden. Zusätzlich ist ein Aktivitätsbereich für die Tiere einzurichten. Unabhängig vom Vorhandensein von Fress-Liegebuchten sind Rückzugsmöglichkeiten in ausreichendem Umfang vorzusehen, fordert der Bundesratsbeschluss.

Größerer Liegebereich für Ferkel

Auch an anderer Stelle drängen die Länder mit ihren Maßgaben auf mehr Tierschutz. Sie betreffen den Liege- und Ruhebereich für Saugferkel, die Beleuchtungsintensität der Ställe und Maßnahmen gegen Aggressionen in der Gruppe.

Mehr Platz im Abferkelbereich

Die übrigen Neuregelungen der von der Bundesregierung vorgelegten Verordnung zum Abferkelbereich können im Wesentlichen unverändert bleiben: Danach ist die Kastenstandhaltung im Ferkelschutzkorb künftig höchstens 5 statt bisher 35 Tage zulässig. Die Abferkelbuchten müssen mindestens 6,5 Quadratmeter groß sein.

Betriebe haben 15 Jahre Zeit, um sich auf die neuen Anforderungen im Abferkelbereich einzustellen, Umstellungskonzepte zu entwickeln und die finanziellen Voraussetzungen für die aufwändigen Umbauten zu schaffen.

aus: https://www.bundesrat.de/DE/plenum/bundesrat-kompakt/20/992/76.html?nn=4352768#top-76

dazu vom 2.7.:

Noch weniger Rechte für die Sau

Trotz Fleischskandal, trotz Tierwohldebatten: Der Bundesrat will einer Gesetzesänderung zustimmen, die das elende Leben der Muttersauen weiter verschlechtert. Die Grünen sind auch dabei.

In Berlin ist an diesem Freitag ganz großes Polittheater zu bewundern. Im Bundestag findet eine zweifellos emotional schwer aufgeladene Generaldebatte um eine Neuausrichtung der Tierhaltung statt. In der Nachbarkammer, im Bundesrat, sollen die Länder indes über die Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung abstimmen. Und nicht wenige Politiker hoffen, dass der Lärm des Parlaments die Feigheit im Bundesrat übertönen wird.

Gewinner Deutscher Dokumentarfilmpreis 2020

Erstmals erhalten zwei Filme den Deutschen Dokumentarfilmpreis: „Lovemobil“ von Elke Margarete Lehrenkrauss und „Eine Klinik im Untergrund – The Cave“ von Feras Fayyad.

„Lovemobil“ von Elke Lehrenkrauss: Prostitution im Wohnmobil am Straßenrand

„Das Alltägliche sichtbar machen – anhalten, wo man jeden Tag vorbeifährt – aussteigen, nachfragen, hinhören und hinschauen, wo man lieber wegschaut.“ So begründet die Jury ihre Auszeichnung für „Lovemobil“. Für den Dokumentarfilm tauchte Elke Margarete Lehrenkrauss drei Jahre lang in die Welt von Prostituierten in ihren Wohnmobilen am Straßenrand ein und gewann ihr Vertrauen. Laut Jury ist die Doku geprägt von menschlichem und filmischem Feingefühl: „ein zurückhaltendes und gleichzeitig konsequentes und mutiges Vortasten auf der visuellen und inhaltlichen Ebene.“

„The Cave“ von Feras Fayyad: eine geheime Klinik in Syrien

Dokumentarfilmer Feras Fayyad zeigt in „Eine Klinik im Untergrund – The Cave“ eine geheime Klinik unter der Erde im syrischen Kriegsgebiet, geleitet von der Ärztin Dr. Amani Ballour. Kinder mit Bombensplittern und Opfer von Chlorgasattacken – der Krieg zeige sich hier in seiner sinnlosen Rohheit, meint die Jury. Doch der Film thematisiere auch, wie Humanität gewahrt werde. Er sei „zutiefst berührend und intelligent, weil er uns alle miteinbezieht. Zusammen mit der Ärztin taucht der Zuschauer hinab in den Untergrund, wo sie und ihr Team um die Leben der Menschen kämpfen.“

Gewinner-Dokumentarfilme und nahezu alle nominierten Filme sind zwischen dem 1. und dem 3. Juli online auf SWR.de/dokufestival zu sehen.

Prostitution: Infotisch am Ziegenmarkt und Spaziergang durch die Helenenstraße (BISS)

Aus dem Flugblatt der Bremer Initiative Stopp Sexkauf – BISS:

Juni 2020

Prostitution – Ausstiegshilfen für Prostituierte statt Bordellöffnungen

Seit Mitte März sind im gesamten Bundesgebiet die Prostitutionsstätten wegen des hohen Infektionsrisikos im Zuge der Corona-Pandemie geschlossen.

Jetzt fordern Bordellbetreiber, Vermieter von Modellwohnungen und Zuhälter wie Frank Hanebuth (Hells Angels Hannover), das aktuelle Prostitutionsverbot aufzuheben – angeblich in Sorge um die Frauen, die „in die Illegalität gedrängt werden“. (s. WK vom 2.6.20 und Redaktionsnetzwerk Deutschland vom 11.06.2020).

In Wahrheit geht es den Bordellbetreibern um ihre eigenen Einkommensmöglichkeiten, die weggebrochen sind. Die Gesundheitsrisiken der Prostituierten interessieren sie nicht.

Die sozialen Folgen des derzeitigen Prostitutionsverbotes zeigen, dass Prostitution kein Beruf wie jeder andere ist.

Die seit 2002 in Deutschland eingeführte Legalisierung der Prostitution hat den Tausenden, vor allem aus Südosteuropa und afrikanischen Ländern stammenden Prostituierten keine Chancen auf ein gesichertes Leben gebracht. Im Gegenteil, sie sind „die Ware“ im Menschenhandel.

Kaum eine der Prostituierten ist krankenversichert oder hat Zugang zu den Sozialversicherungssystemen, was in der aktuellen Pandemie noch einmal dramatisch deutlich wird.

Ein „Zurück zur Normalität“ kann keine Lösung sein. Der derzeitige Lockdown sollte Anstoß sein für ein überfälliges Umdenken in unserer Gesellschaft:

Sexkauf ist ein Verstoß gegen die Menschenwürde und darf nicht von Seiten des Staates unterstützt werden.

Prostitution ist sexuelle Ausbeutung der Frau.
Frauen sind keine Ware.

Deshalb fordern wir die Einführung des „Nordischen Modells“

– Verbot von Sexkauf
– Keine Kriminalisierung von in der Prostitution tätigen Personen
– ein Beratungs- und Unterstützungsnetzwerk mit vielen Ausstiegsangeboten
– als Ausstiegshilfen: Sprachkurse + Weiterbildungsmöglichkeiten
– Traumatherapeutische Begleitung

Helenenstraße

Polizeifreie Zone in Seattle geschaffen, super. Übrigens Schreckgespenst Anarchie, Anarchie bedeutet eine Ordnung ohne Herrschaft, tja Freiheit in Verbundenheit macht vielen Angst

Hippie-Zone oder „gesetzloser Staat“?

In Seattle haben Teilnehmer der Proteste gegen rassistische Gewalt eine „polizeifreie Zone“ geschaffen. Was einige als Sozialexperiment sehen, löst bei anderen Angst vor Anarchie aus.

Zu Beginn der landesweiten Proteste gegen Polizeigewalt und Rassismus war die Stimmung in der Westküsten-Stadt Seattle eher angespannt. Noch vor einer Woche lieferten sich Demonstrierende teilweise Straßenschlachten mit der Polizei, vor allem im Szeneviertel Capitol Hill.

Bürgermeisterin Jenny Durkan versuchte die Situation zu deeskalieren, indem sie dort eine Polizeistation räumen ließ. Die Demonstrierenden nutzten dies: Sie riegelten sechs Blocks in dem Viertel mit Barrikaden ab und erklärten das Gebiet zur autonomen, polizeifreien Zone.

Journalisten vor Ort beschreiben die Stimmung seitdem als friedlich. Videos aus der sogenannten autonomen Zone zeigen Würstchenstände und Tanzveranstaltungen. Mehrere Zelte wurden dort aufgestellt, Obdachlose leben an der Seite von Demonstrierenden. Ein Gemüsegarten wurde angelegt, es gibt dort Filmvorführungen und Lesungen.

Das selbst erklärte Ziel der Besetzer: Die Zone sei ein Experiment, das zeigen soll, wie ein Mikrokosmos ohne staatliche Gewalt funktionieren könnte. „Es ist so schön hier, und wir haben nicht einfach nur Spaß. Dieses Gebäude wandeln wir vielleicht in ein Gemeindezentrum um, machen einen Markt auf, das ist eine coole, eine sichere Zone“, erzählt ein Bewohner.

Trump droht bereits mit der Nationalgarde

„Defund the Police“, ist eine der Forderungen vieler Demonstranten – übersetzt bedeutet es etwa: der Polizei die Finanzierung entziehen, Mittel einkürzen, die die Polizei von der Stadt bekommt.

Bürgermeisterin Durkan spricht von „Summer of Love“

Die Deutungen, was die autonome Zone ist und was nicht, geht weit auseinander. Journalisten der Lokalzeitungen vor Ort beschreiben eher ein positives Bild und heben die gute Stimmung hervor.

Fox sprach in der Berichterstattung immer wieder von einer „anarchischen Zone“. Außerdem veröffentlichte der Sender Bilder, die offenbar bewusst digital verändert wurden, um die Szenerie vor Ort gewalttätiger erscheinen zu lassen. Beispielsweise wurde in ein Foto eines zertrümmerten Schaufensters das Bild eines bewaffneten Mannes hineinkopiert. Der Sender hat sich mittlerweile zu dem Fehler bekannt und entschuldigt, man habe hier die ethischen Standards für Nachrichtenorganisationen verletzt.

aus: https://www.tagesschau.de/ausland/seattle-autonome-zone-107.html

Seattles neue Selbstsicherheit

Sie zelten auf Parkflächen, organisieren Open-Air-Kinos, veranstalten Konzerte und Workshops gegen Gentrifizierung. Immer wieder versammeln sie sich zu Kundgebungen gegen Rassismus und Polizeigewalt. Seit Tagen haben mehrere Hundert Menschen Teile von Capitol Hill, einem Stadtteil von Seattle, Washington, für besetzt erklärt. C.H.A.Z. (kurz für „Capitol Hill Autonomous Zone“) nennen die Besetzer:innen diese Zone.

Im Fall Seattle und der autonomen Zone hatten rechte Medien zugleich Berichte verbreitet, die von gewaltbereiten und bewaffneten Anarchist:innen und Antifa-Anhänger:innen in dem Gebiet sprachen, von Gewalt gegen Polizist:innen, von absichtlich gelegten Feuern in der Polizeistation, von Vergewaltigungen und Überfällen.

Die Bürgermeisterin von Seattle, Jenny Durkan, widersprach in einem Interview mit CNN den Aussagen Trumps. „Das Ganze hat eher eine Straßenfest-Atmosphäre als eine bewaffnete Übernahme oder eine Militärjunta.“

In Berichten aus C.H.A.Z., die über Twitter verbreitetet werden, wird nach freiwilligen Helfer:innen gesucht, die Essen ausgeben oder beim Ausbau des Camps unterstützen. Und es wird zu weiteren friedlichen Demonstrationen aufgerufen. Nicht nur gegen Rassismus und Polizeigewalt, sondern auch gegen hohe Mieten und für alternative Lebenskonzepte. „Dieser Ort gehört nun den Menschen von Seattle“, ist auf Plakaten der Demonstrant:innen zu lesen. Wie lange das so bleibt, wird sich in den kommenden Tagen zeigen.

aus: https://taz.de/Capitol-Hill-Autonomous-Zone/!5689540/

Polizei abschaffen

Confessions of a Former Bastard Cop

I was a police officer for nearly ten years and I was a bastard. We all were.

This essay has been kicking around in my head for years now and I’ve never felt confident enough to write it. It’s a time in my life I’m ashamed of. It’s a time that I hurt people and, through inaction, allowed others to be hurt. It’s a time that I acted as a violent agent of capitalism and white supremacy. Under the guise of public safety, I personally ruined people’s lives but in so doing, made the public no safer… so did the family members and close friends of mine who also bore the badge alongside me.

But enough is enough.

The reforms aren’t working. Incrementalism isn’t happening. Unarmed Black, indigenous, and people of color are being killed by cops in the streets and the police are savagely attacking the people protesting these murders.

American policing is a thick blue tumor strangling the life from our communities and if you don’t believe it when the poor and the marginalized say it, if you don’t believe it when you see cops across the country shooting journalists with less-lethal bullets and caustic chemicals, maybe you’ll believe it when you hear it straight from the pig’s mouth.

As someone who went through the training, hiring, and socialization of a career in law enforcement, I wanted to give a first-hand account of why I believe police officers are the way they are. Not to excuse their behavior, but to explain it and to indict the structures that perpetuate it.

YES, ALL COPS ARE BASTARDS

I was a police officer in a major metropolitan area in California with a predominantly poor, non-white population (with a large proportion of first-generation immigrants). One night during briefing, our watch commander told us that the city council had requested a new zero tolerance policy. Against murderers, drug dealers, or child predators?

No, against homeless people collecting cans from recycling bins.

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Reading the above, you may be tempted to ask whether cops ever do anything good. And the answer is, sure, sometimes. In fact, most officers I worked with thought they were usually helping the helpless and protecting the safety of innocent people.

During my tenure in law enforcement, I protected women from domestic abusers, arrested cold-blooded murderers and child molesters, and comforted families who lost children to car accidents and other tragedies. I helped connect struggling people in my community with local resources for food, shelter, and counseling. I deescalated situations that could have turned violent and talked a lot of people down from making the biggest mistake of their lives. I worked with plenty of officers who were individually kind, bought food for homeless residents, or otherwise showed care for their community.

The question is this: did I need a gun and sweeping police powers to help the average person on the average night? The answer is no. When I was doing my best work as a cop, I was doing mediocre work as a therapist or a social worker. My good deeds were listening to people failed by the system and trying to unite them with any crumbs of resources the structure was currently denying them.

It’s also important to note that well over 90% of the calls for service I handled were reactive, showing up well after a crime had taken place. We would arrive, take a statement, collect evidence (if any), file the report, and onto the next caper. Most “active” crimes we stopped were someone harmless possessing or selling a small amount of drugs. Very, very rarely would we stop something dangerous in progress or stop something from happening entirely. The closest we could usually get was seeing someone running away from the scene of a crime, but the damage was still done.

Police officers do not protect and serve people, they protect and serve the status quo, “polite society”, and private property. Using the incremental mechanisms of the status quo will never reform the police because the status quo relies on police violence to exist. Capitalism requires a permanent underclass to exploit for cheap labor and it requires the cops to bring that underclass to heel.

One final idea: consider abolishing the police.

I know what you’re thinking, “What? We need the police! They protect us!” As someone who did it for nearly a decade, I need you to understand that by and large, police protection is marginal, incidental. It’s an illusion created by decades of copaganda designed to fool you into thinking these brave men and women are holding back the barbarians at the gates.

I alluded to this above: the vast majority of calls for service I handled were theft reports, burglary reports, domestic arguments that hadn’t escalated into violence, loud parties, (houseless) people loitering, traffic collisions, very minor drug possession, and arguments between neighbors. Mostly the mundane ups and downs of life in the community, with little inherent danger. And, like I mentioned, the vast majority of crimes I responded to (even violent ones) had already happened; my unaccountable license to kill was irrelevant.

What I mainly provided was an “objective” third party with the authority to document property damage, ask people to chill out or disperse, or counsel people not to beat each other up. A trained counselor or conflict resolution specialist would be ten times more effective than someone with a gun strapped to his hip wondering if anyone would try to kill him when he showed up. There are many models for community safety that can be explored if we get away from the idea that the only way to be safe is to have a man with a M4 rifle prowling your neighborhood ready at a moment’s notice to write down your name and birthday after you’ve been robbed and beaten.

I’m not telling you I have the blueprint for a beautiful new world. What I’m telling you is that the system we have right now is broken beyond repair and that it’s time to consider new ways of doing community together. Those new ways need to be negotiated by members of those communities, particularly Black, indigenous, disabled, houseless, and citizens of color historically shoved into the margins of society. Instead of letting Fox News fill your head with nightmares about Hispanic gangs, ask the Hispanic community what they need to thrive. Instead of letting racist politicians scaremonger about pro-Black demonstrators, ask the Black community what they need to meet the needs of the most vulnerable. If you truly desire safety, ask not what your most vulnerable can do for the community, ask what the community can do for the most vulnerable.

aus: https://medium.com/@OfcrACab/confessions-of-a-former-bastard-cop-bb14d17bc759

Urwald Hasbruch

Bei Regen durch den Wald gehen, das ist doch mal schön. Die Tropfen platschen auf die Blätter, vom Boden steigt erdiger Geruch auf und die Vögel zwitschern. Die Lungen können sich mit frischer Luft füllen statt mit der verpesteten Abgasluft dank Autos, Flugzeugen etc. Doch dann kommen mir auf einem breiten Weg zwei Personen entgegen, reihen sich brav hintereinander und spazieren mit möglichst großem Abstand an mir vorbei, ganz dicht am Seitenrand entlang. Ich bin also eine Gefahr, wir alle sind Gefährder füreinander. Was ist bloß mit solchen Menschen los? Wie wäre es mal mit Angst abschalten und Verstand einschalten? Zum Glück begegnet mir dann noch dieses charmante Persönchen und der Stress ist verflogen:

Internationaler Hurentag

Sandra Norak, facebook, 2.6.20:

„Heute ist „Internationaler Hurentag“ – und es ist in den Medien heute sowie auch die letzte Zeit einiges an „Pro-Sexarbeit“ und Verharmlosungen zu lesen. Ich finde das traurig, deshalb schreibe ich hier nun ein paar persönliche Zeilen, um an die vielen Frauen da draußen zu erinnern, die in der Prostitution immense Ausmaße an Leid und (sexueller) Gewalt erleben.

Ich war lange in der Prostitution. Jahre.

Prostitution ist oft wie Sklaverei.

Ich bin gezeichnet. Bis heute. Über dieses Thema spreche ich nicht so gerne.

Das Tattoo, den Eigentumsstempel meines Zuhälters, der mich als sein Eigentum markieren sollte, trage ich bis heute auf dem Rücken. Es ist ein Drache, ein keltisches Kreuz und ein Totenkopf. Mein Zuhälter bestimmte das Tattoo, er war beim Stechen mit dabei, um die Kontrolle darüber zu haben. Üblich ist es auch oft, dass die Betroffenen einen Barcode oder den Namen des Zuhälters als Eigentumsstempel tätowiert bekommen.

Der Drache war sein „Markenzeichen“. Schon als ich meinen Zuhälter im Chat damals kennenlernte, war der “Drache“ Inhalt seines Chat-Namens. Ich kann mich erinnern wie er zu dem Tätowierer am Ende noch grinsend sagte, dass er den Totenkopf noch in die Mitte einfügen sollte. Der Tätowierer war scheinbar eingeweiht, ansonsten hätte er mich wohl auch mal gefragt, was ich eigentlich auf meinem Rücken haben möchte, was er aber erst gar nicht tat. Er stach mir auf den Rücken, was mein Zuhälter dirigierte.

Ein Eigentumsstempel, ob in Barcodes, Namen oder Zeichen ist im Milieu an der Tagesordnung. Er sagt:

„Du gehörst mir, du bist mein Eigentum, für immer.“

Als ich nach meinem Ausstieg an die Uni kam und es Sommer war, da war es mir peinlich in T-Shirts rumzulaufen, die zum Teil rückenfrei waren. Als meine Uni Kolleginnen das Tattoo zum ersten Mal sahen, schauten sie mich mit großen Augen an und fragten mich, was ich denn da auf dem Rücken hätte. Das würde gar nicht zu mir passen.

Ja, sie haben recht. Es ist offensichtlich, dass dieses Tattoo nicht zu mir passt. Die ersten Male war ich wie betäubt auf deren Frage. Was sollte ich da antworten? Ich dachte mir also eine Geschichte aus mit dem Tattoo, um meine Vergangenheit nicht ausbreiten zu müssen. Ich habe es dann aber letztlich meist vermieden, solche T-Shirts anzuziehen, wo man das Tattoo sehen kann. Ich habe es versteckt.

Früher hatte ich vor, das Tattoo so zu lassen, wie es ist. Als eine Art Zeichen und „Überbleibsel“, das mich immer daran erinnert, wo ich mal war und was ich in diesem Leben und in diesem System alles gesehen habe. Ein Zeichen, das mich immer wieder daran erinnert, warum ich nicht aufhören kann, gegen dieses System zu kämpfen, auch wenn ich manchmal sehr müde bin ob dieses Themas. Dennoch bleibt immer wieder dieses Gefühl der Fremdbestimmtheit, wenn ich das Tattoo im Spiegel sehe.

Ich werde mir das Tattoo nicht wegmachen, aber überstechen lassen und ihm eine selbstbestimmte Bedeutung geben. Eine Bedeutung, dass mein Leben weitergegangen ist, dass der Drache mich nicht zerstört hat und dass ich ihm nicht mehr gehöre. Dass er der Auslöser ist, warum ich den Rest meines Lebens den Rechten und der Verteidigung von Betroffenen widmen werde.

Und dann werde ich gegen euch vorgehen, ihr Zuhälter und Menschenhändler da draußen.

Nur deshalb habe ich angefangen Jura zu studieren. Nur deshalb.

Ich kenne euch, ich weiß wie ihr tickt, ich weiß, wie ihr „arbeitet“, ich kenne eure Methoden, eure Verflechtungen, eure Tricks. Ich weiß, wie schwer es ist, Menschenhandel und organisiertes Verbrechen gerichtsfest zu machen, vor allem bei den jetzt bestehenden Gesetzen. Mein „Loverboy“ war ein „Altlude“. Einer von denen, die sich auskannten mit den „Gesetzen des Milieus“, die ich selbst auf einem harten Weg lernen musste, um dort existieren zu dürfen, um nicht geschlagen zu werden, um „heile“ zu bleiben. Ich hatte irgendwann im Milieu gelernt, zu überleben. Ich hatte im Milieu gelernt, mit Leuten der organisierten Kriminalität „umzugehen“, mich in ihrem Beisein so zu verhalten, dass ich unauffällig war, nicht störend war, „milieukonform“ war. Eben so, wie sich die Prostituierten als Beiwerk der Zuhälter verhalten mussten, um nicht die Faust oder die Knarre an den Kopf zu kriegen.

Ich hatte letztlich Einsicht in sehr vieles. Ich war zu 100 % loyal, nachdem ich einmal bedroht wurde als „Schmieralte“ (das ist eine Prostituierte, die zur Polizei geht und anzeigt), zog ich danach nicht mehr in Betracht, mich der Polizei oder jemand anderem anzuvertrauen. Denn einem wird im Laufe des Lebens im Milieu klar, dass eine „Verräterin“ kein einfaches Leben mehr haben wird und dass man sie überall finden kann. Manche drohen mit sowas und machen ihre Drohungen nicht wahr. Sie dienen allein der Einschüchterung, damit die Frau besser „funktioniert“. Manche drohen damit und machen ihre Drohungen wahr. Wenn man in dieser Situation ist, will man nicht herausfinden, zu welcher Kategorie der eigene Zuhälter und seine Verbündeten gehören, ob sie mit der Drohung „nur“ einschüchtern oder ob sie ihre Drohung im Ernstfall wahr machen. Man bleibt loyal und sagt nichts, um nichts zu riskieren.

Niemand von diesen Luden und Menschenhändlern hätte wohl jemals gedacht, dass ich irgendwann meinen Mund aufmache und über all das spreche, denn ich war die kleine, eingeschüchterte junge Blondine, die schon still war, wenn man nur die Stimme erhoben hat, die schon anfing vor Angst zu zittern und der Tränen in die Augen schossen und die „bitte nicht“ flehte, wenn man nur den Finger in die Luft streckte und böse guckte. So leicht einschüchterbar war ich aufgrund der jahrelangen psychischen Unterdrückung durch meine Mutter geworden. Ein einfaches Abendmahl für Zuhälter und Menschenhändler.

Aber heute bin ich jemand anderes. Jemand ganz anderes. Die „Schule“, die ich im Milieu durchlaufen habe, die war knallhart. Sowie auch der Kampf zurück ins Leben. All das hat mich mit der Zeit „hart“ gemacht, hat mich „zäh“ gemacht. Hat mir mein Schicksal in die Hand gelegt.

Und ich schäme mich nicht mehr, das Tattoo zu zeigen und seine wahre Bedeutung zu erzählen:

Ich wurde als Eigentum gebrandmarkt, als eine Sache. Und ich wurde auch lange so behandelt.

Wo bleiben die Medienberichte über die Geschichten solcher Frauen? Es gibt viele solcher Frauen, sehr viele, man muss sich nur an die entsprechenden Vereine und Organisationen wenden, die Betroffene betreuen oder mit ihnen in Kontakt stehen. Warum macht man sich nicht die Mühe diese Betroffenen zu befragen und ihre Geschichten zu verbreiten? Will man das Leid vielleicht einfach nicht sehen?

Warum will dieses Märchen der vielen „Happy Sexworkerinnen“ so penetrant aufrecht erhalten werden?

Ich habe ca. 2 Jahre in einem Bordell in einem Kellerzimmer gelebt. Mein Zuhälter hatte mich in dieses Bordell gebracht, um für ihn Geld zu verdienen. Eine Gefängniszelle ist schöner als dieses Kellerzimmer, wo ich lebte. Ich hatte nicht mal ein Fenster da drin, es war nur ein Schacht. Auch ich war zum Schluss „freiwillig“ in der Prostitution, um mich nach meiner Ausbeutung aus diesem ganzen Schlamassel „rauszuarbeiten“ nach abgebrochener Schule, ohne Wohnung, ohne alles.

Bevor ich mein Geld aus der Prostitution für mich behalten konnte war alles, was ich besaß, „Arbeitskleidung“ in Plastiktüten. Nach Jahren Vollzeitarbeit in der Prostitution. Alles, was ich hatte, war Kleidung, um sich zu prostituieren.

Als ich mich von meinem Zuhälter lösen konnte, wollte ich aussteigen, wusste aber nicht wie, weil ich in diesem Bordell festsaß. Sozialarbeiter kamen da nicht rein. Ich schämte mich zudem und hatte Angst, Hilfe zu suchen. Das erste, was ich mir dann also nach meiner Ausbeutung angeschafft bzw. finanziert habe per Monatsraten, war ein Auto, um überhaupt erstmal dieses Bordell, wo ich zuvor ca. 2 Jahre wohnte und mein Zuhälter zum Geld kassieren hinkam, verlassen zu können, wegfahren zu können, mobil zu sein, mich bewegen zu können, wieder Selbstbestimmtheit erlangen zu können. Der zweite Schritt war eine Wohnung. Der dritte Schritt war: Ausstieg. Traumatisiert, mit abgebrochener Schule und 6 Jahren Lücke im Lebenslauf war der Ausstieg verdammt schwer.

Ich war Deutsche. Ausländische Frauen kommen oftmals nach ihrer Ausbeutung, wenn sie denn diese überhaupt verlassen können, nicht mal zu Schritt eins oder zwei. Wie sollen sie ohne Hilfe zu Schritt drei gelangen? Wenn sie dann für sehr lange Zeit oder für immer in der Prostitution bleiben, nennt man das „freiwillig“?

Hurra hurra, „Happy Sexwork“?

Wie wäre es mal, wenn die Medien endlich mal ein realistisches Bild von dem zeichnen würden, was da in der Prostitution größtenteils passiert, anstatt immer wieder den gleichen Stimmen eine Plattform zu geben, die „happy sexwork“ schreien und Prostitution verharmlosen, aber absolut in der Minderheit sind?

Eure verzerrte Mediendarstellung der Realität in der Prostitution ist pures Gift für die (hundert)tausenden von Frauen, die an der Prostitution zugrunde gehen!“

Staatsterror: Mord per Drohne

Kampfdrohnen für die Bundeswehr
Wo sind die Stimmen der Opfer?


Wenn Kabir Aluzai von seinem Bruder spricht, wirkt er traurig und gebrochen. „Er wurde einfach getötet. Sogar seine Knochen verbrannten im Auto“, sagt er. Aluzais Bruder Karim wurde 2013 zum Ziel eines amerikanischen Drohnenangriffs in der afghanischen Provinz Wardak. Er war Obsthändler. Sein Auto war mit Melonen beladen.

2017 traf ich Aluzai in seinem Heimatdorf, das von den „Todesengeln“ – so werden die Drohnen von vielen Einheimischen genannt – heimgesucht wird. Aluzai und andere Menschen aus dem Dorf beschrieben, wie die Drohnen ihren Alltag bestimmen. Die Kinder haben Angst beim Spielen und können nicht schlafen, während Erwachsene, etwa Feld- oder Minenarbeiter, nicht sorglos im Freien arbeiten können. Jeder wirkte traumatisiert. Sobald der Himmel frei ist, tauchen die Predator-Drohnen der US-Armee auf und feuern ihre Hellfire-Raketen ab. Sie unterscheiden nicht zwischen aufständischen Taliban-Kämpfern und unbewaffneten afghanischen Zivilisten.

Das Töten per Knopfdruck wird romantisiert

Weltweit haben bereits gut 40 Staaten bewaffnete Kampfdrohnen angeschafft, darunter auch so kleine Länder wie Belgien, die Niederlande und die Schweiz. Nun möchte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer auch die Bundeswehr mit Kampfdrohnen bewaffnen.

Während sich die Ministerin, Staatssekretäre, Militärs und Politiker im Bundestag ganz offen für die unbemannten Todesmaschinen aussprechen, bleiben Stimmen von Betroffenen, etwa Menschen wie Kabir Aluzai, ungehört. Man könnte fast meinen, sie existieren gar nicht. Stattdessen wird der Tod per Knopfdruck romantisiert. Die „Todesengel“ sind allem Anschein nach präzise und schützen das Leben „unserer“ Soldaten. Das Narrativ der „Präzisionswaffen“ wird schon lange gepflegt. Die Amerikaner haben es bereits vor zwei Jahrzehnten etabliert. Doch es führt gänzlich in die Irre.

Das beste Beispiel hierfür ist der Alltag in Afghanistan und anderen Ländern, die von Drohnen heimgesucht werden. Im Jemen gab es Zeiten, in denen die unbemannten Luftfahrzeuge mehr Zivilisten töteten als Al-Qaida. In Pakistan waren die meisten identifizierten Drohnen-Opfer keine militanten Kämpfer, sondern unschuldige Zivilisten. Und in Afghanistan, dem am meisten von Drohnen bombardierten Land der Welt, werden regelmäßig Zivilisten wie Kabir Aluzais Bruder getötet. Dass man selten von ihnen hört, hat viele Gründe. Die meisten Drohnen-Morde passieren in abgelegenen, ländlichen Regionen, die schwer zu erreichen sind. Hinzu kommt, dass diese Art der Kriegsführung heimtückisch ist und die Tötungsschwelle seitens der Piloten, die sich meist in virtuellen Cockpits am anderen Ende der Welt aufhalten, stets sinkt.

aus: https://www.deutschlandfunkkultur.de/kampfdrohnen-fuer-die-bundeswehr-wo-sind-die-stimmen-der.1005.de.html?dram:article_id=477506

Prostitution

Ein Gespräch mit Sophie Hoppenstedt über das Outing von ehemaligen Prostituierten

»Eine ›ehrbare‹ Frau kann sehr schnell zur Hure degradiert werden«

Der Fernsehmoderator Oliver Pocher hat ein Video veröffentlicht, in dem er eine Influencerin als ehemalige Prostituierte outete. Die Prostitutionsgegnerin Huschke Mau verfasste daraufhin einen offenen Brief, in dem sie Pocher kritisierte, und wurde selbst mit Beleidigungen und Drohungen überzogen. Sophie Hoppenstedt, die dem von Mau mitgegründeten Netzwerk Ella angehört, das sich »gegen Prostitution, aber für Prostituierte« einsetzt, hält solche Outings für voyeuristische Lust an Degradierung und warnt vor linker Romantisierung der Prostitution.

Huschke Mau schreibt, dass diese Art von Mobbing – Frauen outen, die in der Sexindustrie tätig waren – dem sogenannten revenge porn ähnlich ist, also der Veröffentlichung von Nacktfotos oder Sexvideos von Frauen durch Männer, die entweder von diesen Frauen verlassen wurden oder bei ihnen abgeblitzt sind. Wie kann es sein, dass diese Art von Mobbing auch noch in progressiven Gesellschaften ihr Ziel – die so­ziale Ächtung – so oft erreicht?

Ich denke, dass wir gar nicht in so ­einer progressiven Gesellschaft leben, wie immer behauptet wird. Sicher gibt es mehr Freiheiten, aber Männer haben die sexuelle Emanzipation von Frauen eben auch aus Eigennutz vorangetrieben.

Linke Männer inszenieren sich ja gerne als große Frauenrechtler, wenn sie darauf pochen, dass Sex­arbeit auch Arbeit und Ausdruck eines besonders hohen Maßes sexueller Selbstbestimmung ist.

Das sehe ich genauso. Eine Frau, die aber Sexobjekt ist, ist ein Beleg dafür, dass auch hier noch eine Dichotomie zwischen der Hure und der Hei­ligen besteht: Eine Frau, der man mit Videos und Bildern nachweisen kann, dass sie ein sexuell aktives Wesen ist, ist auch hierzulande noch zum Abschuss freigegeben. Eine ›ehrbare‹ Frau ist sie somit nicht mehr und kann auch nicht mehr dazu aufsteigen, während umgekehrt eine ›ehrbare‹ Frau sehr schnell zur Hure degradiert werden kann, wenn sie das unerwünschte Verhalten sexueller Aktivität zeigt.

Mau erhielt sehr viel Zuspruch, wurde von Fans von Oliver Pocher allerdings auch wüst beschimpft und bedroht, in der Kommentarspalte seines Outing-Posts findet sich ungemein viel Schadenfreude sowie Häme und Verharmlosung eines solchen Outings. Es wird argumentiert, man hätte sich ja nicht prostituieren oder Pornofilme drehen müssen, es komme ja alles mal raus. Ein solches Denken macht deutlich: Eine Frau, die einmal eine »Nutte« war, hat zahlreiche Rechte verspielt – das Recht auf Privatsphäre, auf Würde, auf Solidarität.

Es besteht eine gewisse voyeuristische Lust daran, den zu Nutten degradierten Frauen bei ihrer Degradierung zuzuschauen. Von Erich Fromm gibt es das Buch »Anatomie der mensch­lichen Destruktivität«. Da schildert er, dass es Umstände gibt, unter denen für gewisse Personengruppen die gesellschaftlichen Normen und Schutzmechanismen nicht mehr gelten; an diesen Menschen kann man seinen Zerstörungstrieb auslassen. In Kommentarspalten heutzutage sieht man: Jeder kann Unzufriedenheit sehr einfach an andere weiterge­ben und diese Leute als Boxsack benutzen.

Diesen konkreten Sachverhalt, wie Pocher gehandelt hat, werden auch Sexarbeitsaktivistinnen skandalös finden, schließlich wissen auch sie ums Hurenstigma. Dennoch erhärtet sich der Eindruck, dass die beiden Fraktionen – Sexarbeitsaktivistinnen und Abolitionistinnen (Gegnerinnen der staatlich kontrollierten Prostitution, Anm. d. Red.) – nicht exakt dasselbe unter diesem Begriff verstehen. Wo sehen sie die Unterschiede, wenn vom Huren­stigma geredet wird?

Teilweise ähnelt sich die Verwendung des Begriffs, wenn man nämlich an­erkennt, dass es sich um eine Gruppe von Menschen handelt, die geächtet wird und sich am Rand der Gesellschaft bewegt. Sexarbeitsaktivistinnen meinen aber, dass die Ächtung der Grund ist, wieso die Frauen gefährdet sind, also dass das Stigma sie marginalisiert und tötet. Es ist aber nicht das Stigma, das Frauen gefährlich wird, die Gefährder sind Freier und Profiteure. Über diese wird bei Sexarbeitsaktivistinnen sehr selten überhaupt mal ein schlechtes Wort verloren.

Würden Sie also sagen, dass Freier die Prostituierten stigmatisieren?

Ja, genau das.

Deutschland verfügt über eine vergleichsweise liberale Gesetzgebung, wenn es um Prostitution geht. Diese sollte auch erreichen, die im Prostitutionsgewerbe Tä­tigen zu entstigmatisieren. Konnten für dieses Ziel nennenswerte Erfolge verbucht werden?

Das linksliberale Milieu verklärt Prostitution auf eine Art und Weise, die mit einer Entstigmatisierung von Prostituierten nichts mehr zu tun hat. Dort wird ein vermeintlicher Glamour-Lifestyle gefeiert, der dem Abgleich mit der Lebensrealität der meisten Prostituierten überhaupt nicht standhält.

Bemerkenswert ist auch, dass oft, wenn Linke über Prostitution ­reden beziehungsweise Vorträge und Workshops organisieren, ­Personen eingeladen werden, die sich zwar im Zweifel gegen Pros­titution entscheiden, aber immer noch ihre Miete zahlen können. Ihr Plädoyer für Prostitution hat also mit Empowerment zu tun. Sie holen sich also eine kleine Minderheit ins Boot, würden aber in anderen extrem ausbeuterischen Industrien nicht einmal im Traum auf die Idee kommen, nur die oberen fünf Prozent sprechen zu lassen.

Durch genau diese Romantisierung entsteht bei jungen Frauen ein völlig falsches Bild von Prostitution. Der Sugarbabe-Lifestyle erscheint ihnen attraktiv und wie ein harmloses Vergnügen mit etwas Taschengeld. Durch das liberale Prostitutionsgesetz sind in den knapp zwei vergan­genen Jahrzehnten sehr viele Frauen vor allem aus Osteuropa nach Deutschland gekommen, um sich zu prostituieren, und die Freier sind so schäbig zu ihnen wie eh und je, vielleicht sogar noch schäbiger. Es hat ein enormes Preisdumping stattgefunden, man weiß, dass man feilschen kann, dass die Frauen mehr »Leistung« für weniger Geld anbieten müssen. Die Freier dieser Frauen denken sich nicht: »So eine respek­table selbstbestimmte Geschäftsfrau.« Die wissen stattdessen, dass die Frauen jeden Euro brauchen.

aus: https://jungle.world/artikel/2020/20/eine-ehrbare-frau-kann-sehr-schnell-zur-hure-degradiert-werden

Widerstand gegen Coronamaßnahmen

Corona-Maßnahmen: Fehlende inhaltliche Auseinandersetzung


In den letzten Wochen wurde heftig über die Maßnahmen, die die Pandemie eindämmen sollen, gestritten. Sind sie gerechtfertigt, maßvoll, alternativlos? Oder übertrieben, unnötig und haben gar nichts mit dem Schutz der Gesundheit zu tun? An dieser (Gesundheits-)Front kommen große Kaliber zum Einsatz: Da ist von „Querfront“, von „Verschwörungstheorien“ die Rede. Auf der anderen Seite wird vor einer „Hygiene-Diktatur“, einem „Ausnahmezustand“ gewarnt. Höchste Zeit also, um eine Expedition entlang der Schlagworte zu unternehmen.

Das (regierungsnahe) Lager vereint alle Parteien im Bundestag, ob als Regierungs- oder als Oppositionspartei. Es reicht von der Partei DIE LINKE, über die SPD, die CSU/CDU bis hin zur AfD.

Diesem steht ein Lager gegenüber, das diese Maßnahmen für „unverhältnismäßig“ hält und als einen Angriff auf die Schutzrechte gegenüber dem Staat anklagt. Es hat keine parlamentarische Stimme, ist nicht im Parlament vertreten. Dieses Lager erhebt seine Stimme unter den Bedingungen eines Ausnahmezustandes, auf der Straße und in den nicht-monopolisierten Medien.

Dazu gehören auch „Demonstrationen“, unter Einhaltung des Abstandsgebots, mit Schutzmasken, unter Bedingungen, die den Sinn einer Demonstration ad absurdum führen: Mal dürfen es nur 20 Personen, die sich namentlich erfassen lassen müssen, mal darf nicht einmal ein Demonstrant alleine seine Meinung (mittels Plakat) kundtun. Diese handverlesenen „Demonstrationen“, wenn man sich daran nicht gewöhnen will, sind keine Demonstrationen der TeilnehmerInnen, sondern eine Demonstration der Polizeigewalt, der Staatsgewalt. Mittlerweile versammeln sich auch Tausende, missachten das Abstandsgebot, drängen sich aneinander, ohne Mundschutz – und die Polizei sieht zu.

Während das erste Lager die Maßnahmen im Großen und Ganzen rechtfertigt und sich gegenseitig für die Handlungsfähigkeit des Staates lobt, sucht das andere Lager nach Begrifflichkeiten, nach der Qualifizierung eines Zustandes, der eben nicht der Normalzustand ist. Es kursieren Begriffe wie „Ausnahmezustand“, „Hygienediktatur“, „Ende der Demokratie“ bis hin zum „Staatsstreich“.

Das bringt das erste Lager in Wallung – über alle Parteigrenzen hinweg: Sie werfen ihnen vor, „Verschwörungstheorien“ zu verbreiten. Das ist nicht besonders originell und auch ziemlich langweilig. Der zweite Allrounder-Vorwurf besteht darin, den Unangepassten vorzuwerfen, dass sie eine „Querfront“ bilden würden. Auch das gehört mittlerweile zum Standardrepertoire.

Dieser Vorwurf macht die Auseinandersetzung mit der vorgetragenen Kritik zur Nebensache. Das „Argument“ ist die Kontaktschuld, also mit wem „zusammen“ dieser Protest artikuliert wird. So werden regelmäßig die handverlesenen „Demonstrationen“ gescannt, um festzustellen, dass sich dort auch Neonazis, Reichsbürger & Co. aufgehalten haben.

Damit ist die Auseinandersetzung um den Inhalt der Kritik vom Tisch. Der Vorwurf, eine „Querfront“ zu bilden, entbehrt in diesem Zusammenhang nicht einer besonderen Ironie: Bei der Suche nach „Gründen“, diesen Protest zu diskreditieren, arbeiten Regierungs- und Oppositionsparteien, staatsloyale Medien und Linke (ob als Antifa oder als antirassistische Gruppierung) zusammen. Die Frage, ob ein solches Zusammenspiel (-wirken) nicht genauso die Kriterien einer „Querfront“ erfüllt, stellen sich diese Koalitionäre nicht.

Wenn man dieses Pressschlag-Argument beiseitelässt, dann geht es um etwas wirklich Essenzielles: Mit dem Vorwurf „Verschwörungstheorie“ und „Querfront“ will man vor allem eine Sache aus dem Weg räumen: Die dringende Notwendigkeit, sich mit den Vorwürfen auseinanderzusetzen.

Es geht um die sehr grundsätzliche Frage, ob die Grundrechte zum Schutz von Gesundheit und Leben lästig sind, also zurücktreten müssen oder ob die Gesundheit nur mit der „Unversehrtheit“ der Grundrechte zu verteidigen ist.

Es verdient großen Respekt, dass Thomas Moser dazu einen sehr guten und lehrreichen Beitrag geschrieben hat, der dabei helfen kann, „die Geisterspiele“ um die und inmitten der Linken zu beenden. Was hat es also mit dem Vorwurf der massiven Demontage von Grundrechten auf sich? Dazu schreibt Thomas Moser auf Telepolis:

Der 25. März 2020 war ein schwarzer Tag für die BRD-Demokratie. Corona bedingt standen im Bundestag zwei wesentliche Gesetze sowie die eigene Geschäftsordnung zur Abstimmung. Einmal das Gesetz zum Nachtragshaushalt für die Finanzierung des Notzustandes in Höhe von zusätzlichen 122 Milliarden Euro. Zum zweiten die Änderung des Infektionsschutzgesetzes, in dem festgelegt wurde, wer im Falle einer „Epidemie von nationaler Tragweite“ das Sagen hat.

Die quasi hoheitliche Feststellung, dass eine epidemische Lage existiere, oblag zunächst noch dem Parlament. Doch dann übertrug es per Gesetz dem Bundesgesundheitsminister nicht nur das weitere exekutive Handeln, sondern auch die legislative Möglichkeit, das eben beschlossene Gesetz selber wieder zu ändern und Maßnahmen per Verordnungen ohne Beteiligung des Bundesrates zu verhängen. Damit hat der Bundestag am 25. März 2020 seine eigene Entmachtung beschlossen. (…) Im Bundestag stimmte am 25. März eine seltene Front aller Fraktionen von Linkspartei bis AfD den beiden wesentlichen Corona-Gesetzen zu. Eine Politik, die die AfD ausgrenzt, ist das nicht, sondern im Gegenteil eine, die sie integriert.

Wenn also Vertreter und UnterstützerInnen der Corona-Regierung den KritikerInnen vorwerfen, sie würden Verschwörungstheorien verbreiten, dann inszenieren sie selbst jene „obskuren, dunklen Mächte“, um vom Offensichtlichen abzulenken: Was in diesen Corona-Tagen passiert, ist keiner „dunklen Hand“ geschuldet. Das parlamentarische System selbst ist der Ort des Geschehens. Es hat sich selbst entmächtigt.

Ein Staatsstreich für ein Jahr?

Der Vorwurf des „Staatsstreiches“ suggeriert einen Putsch, die „kriminelle“ Beseitigung einer Opposition, einer Macht, die man mit den bestehenden Mitteln nicht ausschalten kann. Aber davon kann doch nicht die Rede sein! Wie beschrieben gab es institutionell gar keine Opposition, die man kaltstellen musste. Die Verschiebung bisheriger „Gewaltenteilungen“ an den Rand eines „souveränen Ausnahmezustandes“ (Carl Schmitt: Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet) hatte die Zustimmung von Regierung und Opposition.

Das wirklich Gefährliche ist jedoch, dass man die AfD damit geradezu ermutigt und eingeladen hat, auf dem Weg weiterzumarschieren, ihre postfaschistischen Ideen umzusetzen. Denn wenn die AfD morgen gefragt wird, ob sie die bestehende Ordnung, die Verfassung respektiere, dann muss sie sich gar nicht mehr verstellen und kann breit grinsend antworten: Aber ja, wir respektieren die Verfassung, so wie ihr auch.

Für einen Staatsstreich spricht in aller Regel eine gesellschaftliche Unruhe, die sich parlamentarisch nicht mehr einhegen lässt, die man auch mit repressiven Mitteln nicht mehr auflösen kann. Auch davon kann doch wirklich nicht die Rede sein. Die außerparlamentarische Linke ist nicht nur schwach. Sie ist im einem Maße orientierungslos, dass es einem schwindlig wird. Und völlig bodenlos wird es, wenn sie sich zum Spielball von Polizeitaktiken machen lässt, wie Thomas Moser ausführt:

Am 1. Mai griff die Polizei zu einem Trick. Stunden, bevor die samstägliche Aktion unter dem Namen „Hygienedemo“ beginnen sollte, gab man den Platz einer Antifa-Gruppe, die eine Kundgebung unter dem Motto „Keine Diskriminierung von Reptilienmenschen“ durchführte. Gleichzeitig sperrte die Polizei das Areal weiträumig ab. Der Platz sei mit einer Demo und 20 Personen bereits belegt, niemand dürfe mehr darauf, hieß es. Tatsächlich war der Platz praktisch menschenleer. So gelang es der Polizei mithilfe der Antifa eine Demonstration zu verhindern, die von Woche zu Woche immer größer geworden war.

Es ginge doch zuallererst darum, gemeinsam zu begreifen, wie man die Corona-Zeiten zu fassen bekommt. Dass die „Corona-Krise“ und ihre offizielle Bewältigung alles bereitstellt, was autoritären bis postfaschistischen Ideologien und Programmatiken in die Hände spielt, ist hoffentlich nachvollziehbar.

Anstatt Kraft und Zeit darauf zu verwenden, sich zu ereifern, was alles bei den gegenwärtigen Protesten fehlt oder falsch ist, ginge es doch darum, einen Protest zu organisieren und eine Plattform zu schaffen, die eine rechte Vereinnahmung ausschließt.

Solange die Linke nur auf den (richtigen) Abstand achtet, und nicht alles dafür tut, das Gemeinsame stark und bezaubernd zu machen, wird sie als Linienrichter bald in einem leeren Stadion auf die Einhaltung der Regeln achten.

aus: https://www.heise.de/tp/features/Corona-Massnahmen-Fehlende-inhaltliche-Auseinandersetzung-4718119.html?seite=all

Technologischer Angriff: digitaler Immunitätspass – und der brave Bürger sagt, ja bitte

Bundesregierung will Immunitätsausweis einführen

Die Bundesregierung plant, einen Corona-Immunitätsausweis einzuführen, der ähnlich wie der Impfpass nachweisen könnte, dass eine Covid-19-Erkrankung überstanden ist. Das geht aus einem Gesetzentwurf hervor, der am Mittwoch im Kabinett beschlossen wurde. Voraussetzung für die Einführung eines solchen Dokuments sei jedoch, dass wissenschaftliche Beweise dafür vorlägen, dass sich Menschen nach einer Corona-Erkrankung nicht wieder anstecken können, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Diese habe man bislang noch nicht. Bei dem Gesetz handele es sich deshalb um eine „vorsorgliche Regelung“.

Sollte man zu der Erkenntnis kommen, dass Menschen nach einer Erkrankung immun seien, würde ein Immunitätsdokument aber „an vielerlei Stellen“ die Dinge erleichtern, sagte Spahn. Es sei eine „Chance“, dass Bürger „unbeschwerter“ bestimmten Tätigkeiten nachgehen könnten. Als Beispiel nannte er Beschäftigte im Gesundheitswesen. Im Gesetz heißt es, aus einer Immunität könnten „weitreichende Schlüsse für den weiteren Umgang mit Schutzmaßnahmen und vulnerablen Personengruppen gezogen werden“.

Wie weitreichend diese Konsequenzen sein könnten, zeigt eine weitere Passage in dem Beschluss. Sie bezieht sich auf das Infektionsschutzgesetz, mit dem der Staat Menschen, die ansteckend oder auch nur „krankheitsverdächtig“ sind, dazu verpflichten kann, in Quarantäne zu gehen oder „bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten“. Künftig soll es möglich sein, in diesem Fall den Immunitätspass vorzulegen, um eine Ausnahmegenehmigung zu bekommen. Angesichts der weitreichenden Kontaktverbote zur Eindämmung der Pandemie in den vergangenen Monaten könnte dies ein Hinweis darauf sein, dass ein Ausweis künftig Sonderrechte mit sich bringen könnte.

Für die Mitarbeiter von sozialen und medizinischen Einrichtungen könnte das neue Gesetz noch eine andere Folge haben. Laut dem Entwurf sollen Arbeitgeber hier künftig Kenntnis über alle „übertragbaren Krankheiten“ ihrer Angestellten erhalten dürfen. Bislang bezog sich dieses Recht nur auf „Krankheiten, die durch Schutzimpfung verhütet werden können“. Nun könnten selbst HIV-Infektionen oder Hepatitis unter die neue Regelung fallen. Die Grünen-Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche nennt diese Pläne deshalb „fragwürdig“.
 
In Nordrhein-Westfalen soll unterdessen bereits in zwei bis drei Wochen ein digitaler Immunitätsausweis erprobt werden. Test-Patienten werden dann mithilfe einer App einen Nachweis für ihr Corona-Testergebnis verschlüsselt in einer Datenbank abspeichern…
 
aus: https://www.sueddeutsche.de/politik/coronavirus-immunitaetsausweis-regierung-1.4892945
 
Des Weiteren:

Die totalitäre Horrorvision des Weltwirtschaftsforums wird wahr gemacht

8.04.2020 – Beim jährlichen Milliardärsstelldichein in Davon Anfang 2018 wurde ein im Auftrag des Weltwirtschaftsforums erstelltes Pilotprojekt für die Überwachung von Flugreisenden beschlossen, das ich damals als „totalitäre Horrorvision“ vorstellte. Ein nun veröffentlichter Nachfolgebericht zeigt, dass der Club der größten multinationalen Konzerne eifrig und erfolgreich daran arbeitet, die Regierungen und die EU in die Umsetzung dieser Horrorvision einzuspannen.

Das Projekt läuft bisher unter dem Titel “Der bekannte Reisende”, im Original The Known Traveller Digital Identity-Projekt”, kurz KTDI.

So soll es ablaufen: Wir befüllen selbst eine Datenbank mit verlässlichen Informationen über uns, genauer, wir bitten oder ermächtigen andere, dort Daten über uns einzustellen. Das soll zuvorderst ein staatlicher Identitätsnachweis sein, aber auch unsere Reisehistorie, Bankdaten, Hotelübernachtungen, Mietwagenbuchungen, Dokumente von Universitäten, Ämtern und sehr vieles mehr. Wenn wir eine Grenze überschreiten wollen, geben wir den Behörden freiwillig Zugang zu diesen Daten, damit sie sich vorab überzeugen können, dass wir harmlos sind. Mittels Gesichtserkennung und unserem (idealerweise) biometrisch mit uns verknüpften Smartphone, können sie sich beim Grenzübergang davon überzeugen, dass wir sind, wer wir behaupten zu sein. Wenn wir fleißig genug beim digitalen Belege sammeln und freigiebig genug mit diesen Daten waren, dürfen wir zur Belohnung an den Schlangen der anderen Reisenden vorbeigehen, werden bevorzugt behandelt und minimal kontrolliert. Wenn sich allerdings Zweifel an den Absichten eines Reisenden auftun, kann der Grenzbeamte ihm, gestützt auf die übermittelten Informationen, „tiefgehender Fragen stellen, etwa um seine jüngsten Aktivitäten besser zu verstehen“.

Man kann sich leicht ausmalen, wie „freiwillig“ diese Datenfreigabe sein wird, wenn das System einmal etabliert ist. Den Testlauf machen die Grenzbehörden von Kanada und den Niederlanden, mit den Fluggesellschaften KLM und Air Canada an den Flughäfen Amsterdam, Toronto und Montreal.

Konzerne wie Visa und Google sind natürlich nicht aus reinem weltbürgerlichem Pflichtgefühl so engagiert, um für die Polizeibehörden auf eigene Kosten ein solches System auszuarbeiten. Vielmehr sind die Grenzbehörden erklärtermaßen der ideale Katalysator für ein solches System der Selbstüberwachung und Datenfreigabe in das nach und nach alle Regierungen der Welt eingebunden werden sollen. Denn wenn eine nicht mitmacht, können deren Bürger irgendwann nur noch unter großen Schwierigkeiten international reisen.

So heißt es im ersten Bericht, ebenso wie im jetzigen Weißbuch, dass die Selbstüberwachung an der Grenze nur dazu diene, eine kritische Anfangsmasse an Beteiligten an dem globalen Standard zu schaffen, den man so einführen will. Wenn das gelungen ist, wenn alle Regierungen sich diesem Standard für den erzwungenen freiwilligen Datenaustausch mit den Bürgern angeschlossen haben, dann dürfen wir unsere Daten auch „für alltägliche Anwendungen“ in Interaktion mit Unternehmen und Behörden hergeben (Fettung im Original). Genannt werden in beiden Berichten vor allem Gesundheit, Bildung und Erziehung, Bankwesen, humanitäre Hilfe und Wahlen.

aus: https://norberthaering.de/die-regenten-der-welt/known-traveller-2/

Tag gegen Arbeit: Ist es Arbeit … ist es scheiße …

Arbeit ist scheiße. Sie ist bevormundend, ungerecht und macht krank. Denn Arbeit bedeutet Ausbeutung und die Unterstellung unter das Regime der Arbeitgeber, d.h. wann du Essen darfst, Kleidervorschriften, Lohnbetrug, Lächelnvorschrift, Hierarchien, Bewertungen, Sanktionen, Personalakte, Überwachung, was du zu tun und zu lassen hast etc.
Mit Arbeit ist dabei nicht das menschliche Tun gemeint, sondern eine geldförmige und/oder fremdbestimmte Tätigkeit. Arbeit beinhaltet mehr oder weniger oder auch nicht das kreative, nützliche, freudige, beziehungsorientierte Tun (z.B. einen Zirkuswagen zu bauen, weil eine Behausung benötigt wird und es auch Freude bringt, die eigenen Fähigkeiten einzubringen und zu erweitern, ist etwas anderes, als wenn diese Tätigkeit für Profitzwecke eines Unternehmens benutzt wird; den Werkelnden macht es vielleicht weiterhin Spaß, aber andere entscheiden über ihr Tun und der Wagen gehört dem Chef, statt der Verfügung über den von ihnen erbauten Wagen erhalten sie ein bisschen Geld) und bezieht daraus einen Teil der positiven Einstellung ihr gegenüber. Doch Arbeit darf nicht mit diesem menschlichen Tun gleichgesetzt werden, denn das verschleiert ihren ausbeuterischen Charakter. Für viele Menschen ist Arbeit, da sie kein Vermögen besitzen, die einzige Möglichkeit an Geld zu kommen, um damit ihre Existenz zu sichern und ihre sonstigen Bedürfnisse zu befriedigen. Sie ist also Mittel zum Zweck Geld/Profit und nicht etwa konkretes Mittel zum Sattmachen und ein ziemlicher Fresser von Lebenszeit.
Menschen können durchaus mit ihrer Arbeit zufrieden sein und Sinn in ihr sehen. Doch egal wie toll der Taumjob ist, der Zweck bleibt diese irrsinnige Erfindung Geld und ohne Geld läuft nichts. In dieser Wirtschaftslogik ist es egal, ob die Arbeit in Atombombenbauen oder Musikmachen besteht. Das gilt auch für Selbstständige, denn wenn sie am Monopolytisch sitzen, dann bestimmen nicht sie die Regeln, sondern sie müssen nach den Regeln spielen.
Insofern gilt es, nicht mehr dem Arbeitsethos zu frönen, sich und die Umwelt nicht kaputt zu arbeiten, überhaupt so wenig wie möglich oder gar nicht zu arbeiten und den Wert eines Menschen, nicht nach seiner Arbeit oder Nicht-Arbeit zu bestimmen. Sondern sich mit anderen selbstbestimmt zum Zwecke der Bedürfnisbefriedigung zusammenzutun und Keimformen für eine sich befreiende Gesellschaft aufzubauen: Hausprojekte, Netzwerke gegenseitiger Hilfe, Wagenburgen, Gemeinschaftsküchen, DIY Do it yourself, Kleiderpartys, Freie Lizenzen, Utopien denken, wagen, Reparatur-Initiativen, Lebensmittel retten, vegan leben, selbstorganisierte Basisgruppen, solidarische oder gar nicht-kommerzielle Landwirtschaft, kollektive Betriebe, die nicht für in Geld gemessenen Bedarf, sondern für unsere Bedürfnisse produzieren, und das alles nicht auf Kosten anderer … und Widerstand gegen die patriarchalen, technologischen Angriffe und Zerstörungen zu leisten.

Digitalisierung: Datenschutz und gut funktionierende analoge Infrastruktur stören Profit- und Machtinteressen

Wie Covid-19 den USA hilft, im Digitalisierungsrennen mit China mitzuhalten

„Es ist deutlich, dass China entschlossen ist, die globale Führung auf den Gebieten Künstliche Intelligenz, Hochleistungscomputer und synthetische Biologie zu übernehmen. Das sind die Sektoren, die das Leben auf dem Planeten und die militärische Machtbalance in den nächsten Jahrzehnten bestimmen werden.

Das schrieb Michael Dempsey, ehemaliger Chef der Geheimdienste, im März 2018. Er regte an, dass die Regierung die öffentlichen und privaten Entwicklungsanstrengungen auf diesem Gebiet unter Aspekten der nationalen Sicherheit koordiniert, so wie die Regierung auch an der Entwicklung des Internets entscheidend mitgewirkt habe, um die nationale Sicherheit, sprich die Vorherrschaft der USA, zu befördern.

Eric Schmidt, ehemaliger CEO von Alphabet, der Muttergesellschaft von Google, warnte in der New York Times, das Silicon Valley werde den Technologiekrieg mit den chinesischen Unternehmen verlieren, wenn die Regierung nicht bald etwas tue.

Eine Nationale Sicherheitskommission für Digitales

Doch die Regierung tat etwas, um die Katastrophe des Verlusts der Weltherrschaft abzuwenden, wie Schmidt durchaus wusste. Denn er ist Vorsitzender des gemeinsamen Gremiums von Silicon-Valley-Größen und Sicherheitsapparat, das 2018 per Gesetz geschaffen wurde, um den digitaltechnischen Vorsprung der USA gegen China zu verteidigen. Es hört auf den Namen National Security Commission on Artificial Intelligence (NSCAI), Nationale Sicherheitskommission zur künstlichen Intelligenz.

Laut Gesetz ist die Aufgabe der Kommission, Wege zu entwickeln, wie die Regierung in Zusammenarbeit mit dem Privatsektor den technologischen Vorsprung bei künstlicher Intelligenz, Maschinenlernen und verwandten Technologien mit Relevanz für die nationale Sicherheit gegen China verteidigen kann.

Außerdem wurde ein Joint Artificial Intelligence Center (JAIC) vom Militär und Geheimdiensten geschaffen, also ein gemeinsames Zentrum für künstliche Intelligenz, das unter anderem die Aufgabe hat, die Aktivitäten in dieser Richtung mit anderen Behörden, Unternehmen, Wissenschaftlern, und – für uns besonders interessant – den US-Alliierten abzustimmen.

Außer einer Konferenz in Washington, in der Mitglieder der NSCAI, ehemalige Nato-Offizielle und andere in wolkigen Worten über die neue Weltordnung und andere Themen philosophierten, hat die Öffentlichkeit wenig von der Arbeit der NSCAI mitbekommen. Doch jüngst beförderte das Electronic Privacy Information Center (EPIC) mithilfe eines Informationsfreiheitsgesetzes eine Präsentation der NSCAI vom Mai 2019 ans Licht, die aus gutem Grund einiges Aufsehen erregt hat.

Eine brisante Präsentation

Unter dem Titel „China’s Tech Landscape Overview“ wird darin sehr detailliert aufgelistet und erläutert, welche strukturellen Vorteile es China ermöglichen, so rapide voranzuschreiten, sowohl bei er künstlichen Intelligenz (AI), als auch bei digitalen Geschäftsmodellen generell, die als Basis für die Anwendung von AI gelten. So schnell, dass dadurch die technologische und militärische Vorherrschaft der USA bedroht ist.

Bei der Schaffung der Technologie seien die USA immer noch führend. Aber bei der Anwendung und praktischen Weiterentwicklung falle man aufgrund ungünstiger struktureller Faktoren immer weiter hinter China zurück. Die dort genannten strukturellen Hindernisse sind zum einen Datenschutzregeln, zum anderen alles, was in Industrieländern, anders als in China, an analoger, gut funktionierender Infrastruktur vorhanden ist, so wie flächendeckende Bargeldversorgung und Bankfilialen, Ärzte und Krankenhäuser, Lehrer, gut sortierte Läden selbst in ländlichen Gebieten, funktionierender Individual- und öffentlicher Verkehr etc.

An Beispielen wird angeführt, dass in manchen Regionen Chinas zu wenig Gesundheitseinrichtungen vorhanden seien, sodass Ferndiagnosen und Behandlungen mit AI-Unterstützung attraktiver sind, als in den USA, wo es genug Ärzte gibt, und dass verstopfte Städte die Entwicklung von selbstfahrenden Mietautoflotten als Ersatz für individuellen Autobesitz dringlicher machten.

Ein Virus kommt wie gerufen

Seit der Covid-19-Virus umgeht, sind viele Sorgen der NSCAI deutlich kleiner geworden.

Künstliche Intelligenz ist in den Augen der Öffentlichkeit von einer Bedrohung zu einem Heilsbringer geworden, durch ihren in den Medien überall herausgestellten, tatsächlichen oder nur behaupteten Nutzen bei der Pandemiebekämpfung. Das betrifft zuallererst die Erhebung und Nutzung von Gesundheitsdaten, wo die Bürger und Datenschützer bisher besonders sensibel und abwehrend auf Digitalisierung reagierten. Typisch dafür die Überschrift eines Artikels in der Frankfurter Allgemeinen, die beklagt, dass „die rettende Corona-App“ erst später kommen könnte. Und das, obwohl es mit Nachweis oder auch nur Plausibilität, dass das automatische Kontakte-Verfolgen per Smartphone funktioniert und etwas bringt, ziemlich düster aussieht.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) sammelt über Fitnessarmbänder und ähnliches Gesundheitsdaten ein und führt dabei nach einem Bericht des Chaos Computer Clubs die freiwilligen Mitmacher hinters Licht. Mehr als eine kurze Meldung ist das, was sonst ein großer Skandal wäre, den Medien nicht wert. Dann ist es vergessen und vergeben.

Regierungen der US-Alliierten aller Couleur geben der Entwicklung von Apps zur Kontaktverfolgung der Menschen und zur Erfassung von Biodaten höchste Priorität. Da oft Hardware oder Software der US-Digitalkonzerne beteiligt sind und die Daten bei US-amerikanischen Cloud-Anbietern gespeichert werden, bringt das den Entwicklern von AI-Anwendungen in den USA (und den Geheimdiensten) massenhaft Daten.

Google und Apple, die zusammen quasi ein Monopol auf Betriebssysteme von Smartphones haben, wollen die Kontaktverfolgung – im Dienste der Virusbekämpfung – dauerhaft und gemeinsam in ihre Betriebssysteme integrieren. Darüber, dass Bill Gates den Coronavirus als ersten Anwendungsfall für das Known-Traveller-Programm und die ID2020-Initiative nannte, über die jeder Erdenbürger eine einheitliche Identifikation bekommen soll, habe ich schon geschrieben.

Bargeld wird wegen gefühltem, wenn auch wissenschaftlich widerlegten Ansteckungsrisiko immer unbeliebter. Das hilft der Durchsetzung neuer kontaktloser Bezahlverfahren auf die Sprünge.

Die physischen Ladengeschäfte mussten wochenlang schließen und leiden, wenn sie wieder öffnen können, unter strengen Hygiene- und Abstandsvorschriften. Viele werden dicht machen. Für den Online-Handel ist das ein sensationelles Anschubprogramm. Amazon hat zigtausende zusätzliche Mitarbeiter eingestellt.

Konferenzen und Meetings finden fast überall nur noch virtuell statt, fast überall in der westlichen Welt mithilfe der Software und über die Server von US-Unternehmen wie Microsoft, Amazon und Zoom. Universitäten halten ihre Vorlesungen über das Internet ab, meist ebenfalls mit der Software der US-Konzerne, Schulen bemühen sich, so schnell wie möglich in einen Stand zu kommen, dass sie das auch können. Woran Microsoft und die Bertelsmann Stiftung seit langen Jahren mit sehr viel Geld und mäßigem Erfolg arbeiten, an der Digitalisierung des Lehrens, es macht einen großen Satz nach vorn.

Zusammengenommen ist der Marktwert der vier Digitalkonzerne mit Vertretern im NSCAI seit Jahresanfang trotz Wirtschaftskrise für die Normalbevölkerung kräftig nach oben gegangen. Für sie gibt es keine Krise, für sie gibt es vor allem Chancen. Die Zustimmungswerte der meisten Regierungen, die einschneidende Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie beschlossen haben, gehen durch die Decke, und dazu bekommen sie neue polizeistaatliche Instrumente, von denen sie vorher kaum zu träumen gewagt hätten.

aus: https://norberthaering.de/die-regenten-der-welt/nscai/

Morden macht mit moderner Ausrüstung einfach mehr Spaß: Atombomber und Kriegsschiffe

Kampfjets statt Masken

Berlin treibt den milliardenschweren Kauf von Kampfjets und eine Fusion im deutschen Kriegsschiffbau voran.

BERLIN (Eigener Bericht) – Im Gespräch mit dem Verteidigungsausschuss des Bundestags treibt Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer am heutigen Mittwoch die Beschaffung von Kampfjets als Ersatz für die alternden Tornados der Luftwaffe voran. Gekauft werden sollen 135 Flugzeuge, darunter 90 Eurofighter sowie 45 US-amerikanische F-18. Der Preis wird auf eine zweistellige Milliardensumme geschätzt. Die F-18 sollen unter anderem im Rahmen der „nuklearen Teilhabe“ genutzt werden, die den Transport und den Abwurf der in Büchel (Eifel) gelagerten US-Atombomben durch deutsche Bomber vorsieht. Parallel zu dem milliardenschweren Kauf treibt die Bundesregierung einen Zusammenschluss der drei großen deutschen Kriegsschiffbauer zu einem deutschen Marinegiganten voran; er wird, sofern seine Gründung gelingt, mit einem französisch-italienisch geführten südeuropäischen Konsortium konkurrieren. Um die Aufrüstung zu beschleunigen, ist kürzlich ein Gesetz verabschiedet worden, das EU-weite Ausschreibungen in der Rüstung einschränkt. Verschleppt hat die Bundeswehr hingegen die Beschaffung von Covid-19-Schutzausrüstung.

Während die Aufrüstung der deutschen Luftwaffe inzwischen zum guten Teil durch europäische Konsortien besorgt wird – Eurofighter, Airbus, künftig auch Gemeinschaftsaktivitäten von Airbus und Dassault -, arbeitet die Bundesregierung für die Aufrüstung der deutschen Marine an einem neuen nationalen Zusammenschluss. Wie vergangene Woche bekannt wurde, moderiert sie die Schaffung eines Werftenverbundes, dem alle drei großen deutschen Kriegsschiffbauer angehören sollen: die Bremer Lürssen-Werft, ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) und German Naval Yards Kiel (GNYK). Der Verbund soll sich ausschließlich dem Kriegsschiffbau widmen; eine Einigung über die Form der Kooperation und über den Standort der neuen Firmenzentrale liegt noch nicht vor. Aus den beteiligten Unternehmen sind allerdings zustimmende Äußerungen zu hören. „Nur ein starker deutscher Player wird den maritimen deutschen Hochtechnologiesektor sichern und ausbauen“, wird GNYK-Geschäftsführer Jörg Herwig zitiert. Bei Lürssen heißt es ebenfalls: „Wir halten eine Konsolidierung im deutschen Marineschiffbau für sinnvoll und erforderlich“, um „die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken“.[3]

aus: https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8251/