Zum 100. Todestag von Peter Kropotkin – Grundgedanken des kommunistischen Anarchismus VI – Dezentrale Gesellschaftsorganisation & Verbindung von Stadt und Land

Kropotkin ging um 1900 noch nicht von der Möglichkeit und der Notwenigkeit einer weltweiten Umwälzung der Verhältnisse aus. Angesichts des Zusammenbruchs des Internationalen Handels mit den Revolutionären Gebieten wird „das Aufständische Territorium zur Selbstversorgung und damit zur vollständigen Reorganisation der gesamten Produktion gezwungen sein.“1

In diesem erste Schritt einer sozialen Revolution, gilt es die landwirtschaftliche und industrielle Produktion dezentral zu vereinigen.2 (Globale) Transporte sind für ihn nur unnütze gesellschaftliche Kosten und die dezentrale Organisation sieht er als einen sich selbst fördernden Prozess.3 Zunächst geht es darum den direkten Austausch zu organisieren. „»Bringt uns eure Produkte und nehmt dafür aus unseren Magazinen alle Manufakturwaren, die euch gefallen«, dann werden die Lebensmittel von allen Seiten herbeiströmen. Die Bauern behalten, was sie selbst zum Leben brauchen, schicken den Rest den Arbeitern in die Städte, in denen sie – zum ersten Mal in der Geschichte – Brüder und nicht Ausbeuter sehen.“4 Aus diesem Austausch wächst ein Netz von Föderationen. In seiner Autobiografie schilderte Kropotkin 1899 seine Utopie als ein lebendiges, vielfältiges, sich permanent entwickelndes Netz von Föderationen von Gemeinden, Konsum- und Produktionsgenossenschaften.5 Wir denken, dass dieses Netz von Föderationen zumindest in den Grundstrukturen bereits vor der sozialen Revolution bestehen muss, um erfolgreich starten zu können.

Das hat zwei hochaktuelle Konsequenzen. Kropotkins „Anarchismus beinhaltet die Schaffung eines stärker ökologisch ausbalancierten Stadt-Landverhältnisses.“6 Und: „Die dauernde Arbeitsteilung [ist] zum Untergang verurteilt, um durch eine Mannigfaltigkeit der Betätigungen ersetzt zu werden [] die den verschiedenen Fähigkeiten des Einzelnen wie auch der Mannigfaltigkeit an Fähigkeiten innerhalb jeder menschlichen Gemeinschaft entsprechen.“7 Das er trotz seiner grundsätzlichen Kritik an der Warengesellschaft am Arbeitsbegriff festhält, bewirkt dann leider dass die Rolle der reproduktiven Tätigkeiten im Prozess der revolutionären Umwälzung unterbelichtet bleibt.

1 S. 220 in: Peter KROPOTKIN: Die Eroberung des Brotes (Orig. 1892; o.J.)

2 vergl. S. 201 in: Peter KROPOTKIN: Landwirtschaft, Industrie und Handwerk (Orig. 1912; 1976)

3 vergl. S. 219 in: Peter KROPOTKIN: Die Eroberung des Brotes (Orig. 1892; o.J.)

4 S. 88 in ebenda

5 vergl. Peter KROPOTKIN, zitiert auf S. 75 – 76 in: Martin BUBER: Der utopische Sozialismus (Orig. 1946; 1967)

6 „anarchism involves the creation of a more environmentally balanced country – city relationship.“, S. 5 in: Graham PURCHASE: Green Flame – Kropotkin and the Birth of Ecology (Orig. 2010; 2013)

7 S. 22 in: Peter KROPOTKIN: Landwirtschaft, Industrie und Handwerk (Orig. 1912; 1976)