Kriegsministerin AKK und ihr rechtes Großmachtsgelaber

Annegret Kramp-Karrenbauer
„Wer das nicht will, soll zur Fremdenlegion gehen“


ZEIT ONLINE: Frau Kramp-Karrenbauer, was hat Sie gereizt am Amt der Verteidigungsministerin?

Annegret Kramp-Karrenbauer: Zwei Dinge. Die Begegnungen mit den Soldatinnen und Soldaten selbst, da kann ich direkt anknüpfen an meine Zeit als Innenministerin. Und mich treibt die Frage um, wie sich Deutschland in der Welt künftig aufstellen muss. Was bedroht uns? Wie können wir stark sein? Das sind Fragen, die bei uns nie besonders offensiv diskutiert werden. Es ist höchste Zeit, das zu tun.

ZEIT ONLINE: Woher kommt dieses merkwürdige Desinteresse an strategischen Fragen eigentlich?

Kramp-Karrenbauer: Nach dem Ende des Kalten Krieges waren wir lange in der glücklichen Lage, nur von Freunden umgeben zu sein. Jetzt spüren wir deutlich, dass 1989 nicht das Ende der Geschichte war. Stattdessen erleben wir Konflikte zwischen den USA und China, die uns Europäer immer schroffer mit der Frage konfrontieren, was wir für unsere Werte und unsere Lebensart zu tun bereit sind. Wenn wir uns als Europäer behaupten wollen, geht es nur gemeinsam. Es wird von Deutschlands Führung erwartet, nicht nur als Wirtschaftsmacht. Es geht um kollektive Verteidigung, es geht um internationale Einsätze, es geht um einen strategischen Blick auf die Welt, es geht letztlich um die Frage, ob wir die globale Ordnung aktiv mitgestalten wollen.

ZEIT ONLINE: Stichwort „Von Freunden umgeben“ – spätestens mit der Annexion der Krim war es mit dieser Sicht auf unsere Lage doch vorbei, oder?

Kramp-Karrenbauer: Die russische Führung vertritt ihre Interessen – woher auch immer historisch abgeleitet – sehr aggressiv. Im Zweifel setzt sie sich über das Selbstbestimmungsrecht anderer Staaten hinweg, was mit unserer Nachkriegsordnung und unseren Werten unvereinbar ist. Wir brauchen eine vernünftige Nachbarschaft mit Russland, wir gehen auf die russischen Menschen zu. Dem Anspruch der jetzigen russischen Führung müssen wir gleichzeitig eine klare Haltung gegenüberstellen: Wir sind wehrhaft und im Zweifel auch dazu bereit, uns zu wehren. Wir sehen, was Russland tut, und lassen der russischen Führung das nicht durchgehen.

ZEIT ONLINE: Aber was kann die Bundeswehr da ausrichten?

Kramp-Karrenbauer: Als Nato- und EU-Land in der Mitte des Geschehens brauchen wir den 360-Grad-Blick. Wenn man sich anschaut, wer in der Reichweite der russischen Raketen in Europa liegt, dann sind das nur die mittel- und osteuropäischen Staaten und wir. Auch deshalb sehen uns viele dieser Staaten als einen wichtigen Partner zum Anlehnen, der ihre Interessen im Blick hat. Wir werden in unserer EU-Ratspräsidentschaft an einer gemeinsamen Bedrohungsanalyse arbeiten. Denn wir müssen Abwehrsysteme entwickeln. Nehmen Sie die Luftverteidigung: Da geht es zunehmend auch um Drohnen, KI-gesteuerte Drohnenschwärme oder um Hyperschallwaffen.

ZEIT ONLINE: Kameradschaft, Krieg, Sterben für sein Land, jemanden töten – all das kommt in der öffentlichen Selbstdarstellung der Bundeswehr praktisch nicht vor. Es kommt überhaupt in der postheroischen Gesellschaft wenig vor. Woher nehmen die Soldaten dann ihre Orientierung in solchen Situationen?

Kramp-Karrenbauer: Wir sind eine Armee. Wir sind bewaffnet. Im Zweifelsfall müssen Soldaten auch töten. Anders als früher sind heute gefährliche Auslandseinsätze üblich. Wer zur Bundeswehr geht, weiß das. Das gehört auch zu dem, was ich unter wehrhafter Demokratie und starkem Europa verstehe.

ZEIT ONLINE: Gehen die Rechtsextremen da vielleicht in eine emotionale Lücke rein, für die eine postheroische Gesellschaft einfach keine eigene Sprache hat?

Kramp-Karrenbauer: Der absolut überwiegende Teil der Bundeswehr kommt aus der Mitte der Gesellschaft und steht aktiv für unsere Verfassung ein. Es gibt ein ausgeprägtes Gefühl für Kameradschaft – was die Bundeswehr im Übrigen ja auch gerade für junge Leute attraktiv macht. Die Idee einer allgemeinen Dienstpflicht findet auch deshalb bei so vielen Zustimmung, weil sie nach etwas Bedeutungsvollem suchen, was sie mit anderen verbindet. Ich werde nicht zulassen, dass positive Begriffe wie „Kameradschaft“ und „Patriotismus“ von Rechten gekapert werden.

aus: https://www.zeit.de/politik/deutschland/2020-07/annegret-kramp-karrenbauer-verteidigungsministerium-bundeswehr/komplettansicht